Scene

Id
4821  
Name
Leierkastenmann oder Affe  
Summary
 
Position
9  
Scenetype
Video  
Created At
2021-02-22 20:19:14  
Edited At
2021-03-16 22:50:02  
Show
Vendetta 154  


...irgendwann nach Vendetta 153...

Eine scharlachrote Dose Cherry Cola mit einer violetten Banderole liegt in seiner linken Hand, ein kleines bräunliches Rinnsal läuft daran herunter. Er zieht die schwarze FFP2-Maske ein kleines Stück herunter und führt die Dose an den Mund. Die schwarz geschminkten Lippen spielen mit der Öffnung, die Zunge fährt über die scharfkantige Umrandung, dann trinkt er einige gierige Schlucke. Seine ebenfalls schwarz geränderten Augen schließen sich kurz, als wolle er alle anderen Sinne ausschließen und eins werden mit dem synthetischen sirupsüßen Geschmack.

Dann reißt er die Lider wieder hoch. Fletscht die Maske wieder an Ort und Stelle. Schleudert die Dose mit einer beiläufigen Handbewegung in einen nahen Mülleimer und taxiert mit wachen Blicken die Umgebung. In der rechten Hand trägt er einen zusammengeknüllten Jute-Beutel, auf den ein Tukan gedruckt ist, dessen Kopf vom Körper getrennt wurde und der in einer Fontäne seines eigenen Blutes duscht. Ein butterfarbenes T-Shirt zeichnet sich unter einer dunklen Jeansjacke ab, darauf erkennt man das Konterfeit von Andy J. Miller, einem Freund und Rivalen, der lange seinen Weg begleitete, bisweilen kreuzte. Graue Skinny Jeans in schneeweißen Chucks runden das Outfit ab.

Er war lange nicht hier in Berlin. Es gab keinen Grund mehr dafür, hier zu sein. In der Zwischenzeit hat sich einiges verändert und doch ist vieles gleich geblieben in diesem Schmelztiegel der Kulturen. Vor allem dieses Gefühl, was er schon immer so geliebt hat – hier kann er eins werden mit einer Welt, die nur selten gut zu ihm war und untertauchen in einem Durcheinander von Seelen, die auf der Suche nach dem richtigen Weg sind. Hier kann er versuchen, eine Wahrheit zu sein, ohne dass jemand sofort die Lüge erkennt.

Hier kann er Jeffrey Ron Arrow sein.

Er blickt auf das Gebäude, das sich vor ihm entlang der Budapester Straße erstreckt – das Bikini Berlin. Eine Mall, die vor allem von Pop Up Stores lebt und schon vor sechs Jahren eines seiner bevorzugten Ziele war, wenn er in der PCWA nicht gerade menschliche Körper an Fleischerhaken durch die Halle zog, sich mit Blake Milton in der Wichskabine eines alten Pornokinos verbal duellierte oder eine unheilige Allianz mit Kriss Dalm1 formte.

Als er die Mall betreten will, fällt sein Blick auf einen Stencil Art Schriftzug vor der Eingangstür. „#saytheirnames“ steht da. Irgendjemand hat einen limonenfarbenen Becher Buttermilch daneben geklatscht, der Inhalt verdeckt Teile des Schriftzugs. Arrow tritt den Plastikbecher beiseite, legt den Kopf schräg und betritt das Gebäude.

Die einzelnen Pop-Up Boxes sind verwaist nur aneinander gelehnte Holzbalken.

Schwere Rolltore verbergen, was in den dauerhaft eingezogenen Geschäften feilgeboten wird.

Helles Tageslicht flutet diesen fast ausgestorbenen Ort aus hunderten von großen Fenstern.

Eine alte Kunstinstallation aus unzähligen, an einem senkrecht eingezogenen Netz angebrachten, Plastikblumen zerfällt in etliche kleine Blüten, die wie Tränen des Regenbogens auf den Boden fallen.

Irgendwo fliegt ein handgeschriebener Zettel herum: „Wegen Corona geschlossen. Bleibt uns treu und folgt uns bei Instagr“. Dann ist eine Ecke abgerissen.

Ein Pärchen in hipper Kleidung schmust unter dem inaktiven Neonschrift eines Shops namens „Idyll“.

 

                                                                                                                                            …auf das Dach.

                                                                                                        …über eine Treppe…                    

                                                                    …ins erste Geschoss…

                           … die Rolltreppe hinauf…

Die Lüge eilt…  

!!!ES GIBT EINEN TERMIN EINZUHALTEN!!!

Hektisch blickt er umher, sieht verschiedene Menschen, die sich hier im Freien aufhalten, auf dem begrünten Dach der Mall, dem so genannten Bikini Berlin Shopping Garden. Hier hat man einen kostenlosen Blick direkt in das Affengehege des angrenzenden Berliner Tiergartens.

Die Lüge zerknüllt den Jutebeutel ein wenig mehr, kurz lüftet er die Maske, atmet heftig ein und aus. Er darf es nicht versauen, nicht beim ersten Treffen, darf es nicht versauen, WILL es nicht versauen und dann sieht er sie.

"Sie sind pünktlich. Sehr gut."

Jona Vark steht mit Mister Joshua am Geländer und hat die Affen beobachtet. Sie hat sich nicht umgedreht. Sie hat die Lüge in Ihrem Rücken gespürt. Nun dreht sie sich um und die Blicke treffen sich. Erinnerungen an die Vergangenheit holen Sie ein und sie tritt näher an ihren Assistenten heran. Dieser spannt die Muskeln an, doch die Chefin legt eine Hand auf dessen Arm. Dann strafft sie sich und reckt das Kinn in die Höhe.

Jona Vark: "Also, Mister Arrow. Was kann ich für Sie tun? Was kann die PCWA respektive Vark Enterprises für sie tun?"

Lange und intensiv schaut Arrow seiner ehemaligen Vorgesetzten in die Augen. Wortlos. Man sagt, dass Menschen spätestens nach zehn Sekunden kommentarlosem Blickkontakt unsicher werden. Die Lüge verdoppelt die Zeitspanne. Dann atmet er deutlich sichtbar tief durch, das Gesicht von Miller spannt auf seiner Brust.

Er deutet auf den Jutebeutel in seiner Hand.

Arrow: „Darf ich?“

Kurzer Blickwechsel zwischen Mister Joshua und Jona Vark. Sie nickt.

Betont langsam fährt die Kate Moss des professionellen Wrestlings mit der freien Hand in die Tragetasche. Zieht etwas nicht zu Definierendes hervor. Schmeißt es vor sich auf den Boden. Schiebt es mit dem Fuß zu Vark. In den Augen der Lüge manifestiert sich der Ausdruck, den Katzen haben, wenn sie jemandem einen toten Vogel schenken. Dann legt er den Kopf schief und verschmiert die stümperhaft aufgelegte schwarze Schminke um seine Augen mit einer raschen Handbewegung noch weiter.

Die CEO beäugt das 'Geschenk' und kneift die Augen zusammen. Erneut werden Erinnerungen wach. Sie schaut in ihr eigenes Gesicht in Maskenform, an der immer noch eine rostbraune Kruste zu erkennen ist. Blut. Das Blut der Opfer der Lüge.

Jona Vark: "Sie haben sich kein Stück verändert. Und ich finde, falls das ein Scherz sein soll, nicht witzig."

Sie hat Mut getankt und geht einen Schritt auf die Lüge zu.

Jona Vark: "Ich frage Sie also nochmal... was wollen Sie?"

Arrow lächelt. Wendet sich ab, als wäre er nicht gerade nach dem Sinn seines Handelns gefragt worden. Beugt sich über das Geländer und beobachtet von hoch oben die Affen bei ihrem spielerischen Treiben. Er greift abermals in seinen Jutebeutel. Zieht ein weißes Papp-Paket mit blauen Umrandungen hervor. Knackt es mit einem Finger auf. Zuckerwürfel.

Einen Zuckerwürfel – nach dem nächsten – nach dem nächsten – nach dem nächsten – lässt er – Plop- Plop – Plop – ins Affengehege – fallen.

Gedankenverloren wendet er sich wieder Vark und ihrem stillen Begleiter zu, während die Affen wild durcheinander kreischen und um den Zucker kämpfen, den ein unsichtbarer Gott vom Himmel in ihr Gehege regnen ließ.

Arrow: „Man muss sie bei Laune halten, nicht wahr, Miss Vark?“

Kurz knackt er mit dem Nacken. Tippelt auf der Stelle, als wäre ihm kalt. Dann ziehen sich seine Schläfen kraus, er deutet ein Lachen an.

Arrow: „Warum diese Maske, Miss Vark? Nun… werten Sie das bitte nicht als Provokation. Werten Sie es als Abschluss eines unrühmlichen Kapitels unserer gemeinsamen Geschichte. An der Maske klebt das Blut vom Barbarian, das Blut von Declan O’Kelly, das Blut von Diego Sanchéz, mit der Maske vor meinem Gesicht habe ich mit der Fotographie Ihres Vaters im Ring kopuliert und gedroht, darauf zu pissen… sagen wir, die Maske hat unsere Beziehung nicht wirklich vorangetrieben.“

Versonnen blickt die Lüge zum blauen Spätwinterhimmel, als wäre er die Leinwand für die gerade geschilderten Geschehnisse. Irgendwo klatscht Flatterband im seichten Wind gegen das Gebäude.

Arrow: „Sehen Sie, Miss Vark – aus der heutigen Perspektive verstehe ich Ihren damaligen Standpunkt. Sie waren jung und mussten sich eine gewisse Reputation verschaffen, ich war jung und, nun, wahnsinnig trifft es wahrscheinlich am besten. Sie konnten mir nicht durchgehen lassen, was ich tat, und ich konnte Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie mir das nicht durchgehen ließen.“

Arrow kratzt sich am Hinterkopf.

Arrow: „Klang das… in irgendeiner Form wie eine Entschuldigung? Das… das sollte es nämlich nicht. Ich kann Sie heute verstehen, was nicht bedeutet, dass ich Ihre damalige, übermäßig zur Schau gestellte, Autorität gutheiße…“

Ein abfälliges Schnauben.

Jona Vark: "Sie fanden mich damals autoritär? Dann haben sie die letzten Ereignisse in der PCWA nicht wirklich verfolgt. Also kommen Sie bitte zum Punkt und vergeuden nicht meine wertvolle Zeit."

Die Lüge lacht lauthals auf, schmeißt den Kopf dabei in den Nacken.

Arrow: „Da ist sie wieder, die gute alte Businessfrau. Machen wir es kurz – ich komme in den nächsten Tagen in Ihr Büro und unterschreibe meinen neuen Vertrag. Wir können dabei das Licht anlassen, müssen nicht auf Blitze warten und die Kamera muss auch nicht dabei sein. Sie brauchen mich, denn gerade können Sie auf keinen Namen verzichten, der sich bei der PCWA anbiedert. Wie ich das sehe, stecken Sie über beide Ohren in einem Schlamassel, das XAW heißt, und Ihre eigenen Angestellten üben lieber für das Spiegelkabinett bei der nächsten nachpandemischen Kirmes, als um Ihr wertvollstes Gold anzutreten, right?“

Ihre Mundwinkel zucken kurz. Die Lüge hat, wie immer einen wunden Punkt getroffen. Doch sie lässt sich nichts anmerken. Erneut wird das Kinn hoch gereckt... beinahe trotzig.

Jona Vark: "Denken Sie nicht, dass ich aufgrund der aktuellen Situation vor jedem, der sich der PCWA erneut vorstellt vor Dankbarkeit auf die Knie falle und sofort Verträge unterzeichne."

Die presst die Lippen zusammen.

Jona Vark: "Aber ich werde darüber nachdenken."

Die Lüge nickt. Greift noch einmal in seine Box. Flippt ein letztes Zuckerstück mit Zeigefinger und Daumen zu Jona Vark. Knippst ihr ein Auge zu.

Arrow: „Man muss Sie bei Laune halten, nicht wahr?“

Dann wendet er sich ab, schwenkt den Jutebeutel zum Gruße über dem Kopf, ohne sich noch einmal umzudrehen und verschwindet vom Dach von Bikini Berlin.

Jona Vark wendet den Kopf in Richtung Ihres Assistenten.

Jona Vark: "Sie holen umgehend sämtliche Informationen ein, die es aktuell über Jeffrey Ron Arrow gibt. Ich möchte die Ergebnisse heute Abend auf meinem Schreibtisch."

Der Hüne nickt.

Jona Vark: "Und ich... "

Das Lächeln ist wieder da. Das eiskalte Business Lächeln.

Jona Vark: "Ich werde einen Vertrag aufsetzen... "



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