Scene

Id
355  
Name
black and white tv  
Summary
 
Position
35  
Scenetype
Live  
Created At
2012-09-27 22:20:38  
Edited At
2013-01-24 16:04:15  
Show
Vendetta 88  


Stevie Van Crane musste einfach weg, raus aus der Arena des Gymnasiums, in der die PCWA gastierte.

Diese kleine Bar – nur eine Seitenstraße weiter – schien ihm der richtige Ort zu sein, um die Ereignisse für sich selbst Revue passieren zu lassen und die Schlüsse daraus zu ziehen.

Stevie Van Crane hat einen Fensterplatz gefunden, hinten in der Ecke der Bar. Vor ihm auf dem runden, mitgenommenen Bambustisch steht ein Glas Coke, an dem Wasserperlen nach unten gleiten. Daneben hat er sein Laptop aufgebaut, das Email-Programm geöffnet, eine noch leere Nachricht vor sich. Der schmale Cursor blinkt ungeduldig auf nacktem Weiss.

In der Ecke, nicht weit von ihm entfernt, steht ein kleines TV-Gerät, auf dem ein alter US-Gruselfilm läuft, koreanisch synchronisiert, mit englischen Untertiteln versehen.
Stevie Van Crane nippt mit zitternden Fingern an seiner Coke und schaut auf den Bildschirm.

Zwei alte Fischer sitzen dort auf einem Boot, das nachts auf einem düsteren See vor sich hintreibt. Sie schrecken zusammen bei Geräuschen aus den angrenzenden Wäldern, die deutlich durch die Dunkelheit zu ihnen vordringen.

‚Vielleicht sollten wir doch die Netze einholen, an Land fahren.' 

'Nein. Es ist spät.
In Nächten wie diesen harren wir einfach aus, bis der Morgen uns erlöst.
Die Dunkelheit herrscht in diesen Stunden über dieses Wasser. Wir halten still.’

Stevie’s Blick schwenkt vom TV-Gerät auf den Screen seins Laptops.

Er hatte gehofft, nach einem glorreichen Sieg, einem absolut überzeugenden, dominanten Sieg heute, in der Position zu sein, um Michael Thera noch einmal zu schreiben.

Ein letzter Versuch ihn zu überzeugen, ihm zu zeigen, dass er sein Leben wieder im Griff hat.
Michael würde ihm auf seine Mail nicht einmal mehr antworten.

Wer also sonst? Wer ist noch da, der Stevie Van Crane auf die Füsse helfen konnte?
Jemand, der ihm ausreden würde, dieses Comeback in der PCWA heute Abend noch abzubrechen.
Jemand, der ihm die Lust auf einen Drink nahm.
Irgend jemand, der da war.

Adam Reynolds ist nicht zu erreichen. Vergeblich hatte sich Stevie in den letzten Tagen darum bemüht.
Grizz Lee hatte ihm heute eine Lektion erteilt. Er ist der Letzte, den Stevie Van Crane um Hilfe bitten würde.

Und es gibt noch niemanden in der PCWA, dem Stevie diese Bitte anvertrauen würde.

Also bleibt seine angefangene Email leer, ohne Text, ohne Adresse.

Sein Blick gleitet zum Fernseher.
Die alten Fischer schauen auf die glatte, düstere Wasseroberfläche, in der sich der Mond spiegelt.

‚Weißt du wie die Raubvögel hier ihre Fische jagen?
Sie schweben langsam, ganz langsam über das Wasser, die Flügel ausgebreitet.
Und ihre Füsse streifen hier und da ganz vorsichtig die Oberfläche, nur ein bisschen.
Gerade genug, um einen kleinen Fisch zu packen, der unvorsichtig oben schwimmt..’

Stevie Van Crane hat den Schatten aus den Augenwinkeln gesehen, der sich an seinen Tisch geschoben hat.

Für einen kurzen Augenblick überlegt er, ob er aufspringen und attackieren soll.
Schnell realisiert er, dass es an Abenden wie diesen für ihn nichts zu gewinnen gibt.

SVC: „Spionierst du mir immer noch nach, Gabriel?“

Unnachahmlich lächelnd steht Gabriel am Tisch und wirkt dabei so unschuldig wie ein Lamm auf der Schlachtbank.

Gabriel Lucifer: „Spionieren klingt so negativ, Stevie. Ich darf dich doch… ach… entschuldige, Stevie! Nun, ich habe vorhin rein zufällig beobachtet wie du die Halle verlassen hast und da ich mich hier so gar nicht auskenne, bin ich dir einfach hinterher. In vollstem Vertrauen. Naja, und ich habe gehofft mit dir sprechen zu können, nachdem ich dich vorhin mit meiner kleinen Aktion nach deinem Match vielleicht etwas überrascht habe. Mir ist wichtig, dass du das nicht missverstehst. Oft mangelt es einfach nur an Kommunikation, um Missstimmungen zu vermeiden.“

Stevie Van Crane würdigt Lucifer keines Blickes.
Er dreht das Colaglas in seiner rechten Hand.

SVC: „Vielleicht wundert mich inzwischen gar nichts mehr. Vielleicht ist das genau der Weg wie die Dinge in der PCWA laufen. Vielleicht wird es bei euch so schon seit Jahren gehandhabt. Vielleicht erwarte ich zu viel Ehrlichkeit in den Menschen.“

Pikiert klopft Lucifer mit beiden Fäusten auf den Tisch.

Gabriel Lucifer: „Eines muss ich umgehend klarstellen, Stevie. Bei aller Freundschaft, aber nichts was ich heute getan habe, war unehrlich. Im Gegenteil. Nie war ich ehrlicher, insbesondere zu mir selbst. Das heute war mein Ausweg aus der Tristesse meines elendigen Alltags. Wobei es mehr eine Folge des magischen Momentes des Brawlin‘ Rumble war. Ja, Stevie, dieser eine besondere Moment als Du Mich über das dritte Seile nach draußen geworfen hast. Als ich vor dem Apron lag sah ich in dein Gesicht und spürte diese eigenwillige Verbindung zwischen Dir und Mir. Auf einmal. Wie aus dem Nichts war ich für einen kleinen Augenblick glückselig, konnte all den Kummer zuvor vergessen. Ist es denn eine Sünde dies wieder…und immer wieder spüren zu wollen? Habe ich denn nicht auch wenigstens ein bisschen Freude im Leben verdient? So wie Du? Wir beide können UNS so viel mehr geben als du es gerade erahnen könntest!“  

Stevie Van Crane lacht verächtlich auf.

SVC: „Du willst meine Freundschaft und hintergehst mich, indem du in meine Kabine einbrichst.. Du bietest mir deine Hand, nur um mich nach meinem Match zu attackieren.. Ist das der spezielle Sinn für Humor des Gabriel Lucifer? Ist das irgendein Willkommensritual für die Neuankömmlinge in eurer Liga? Erklär’s mir… ‚Freund’.. Ich verstehe es nicht..“

Jetzt muss der Mythos heiser auflachen. Er wendet sich vom Tisch ab und geht einige Schritte gen Ausgang. Stevie van Crane schaut der Fabelgestalt irritiert hinterher. Kurz bevor Lucifer aus der Szenerie verschwindet dreht er sich noch einmal um. In seinen Augen blitzt eine bedrohliche Euphorie auf.

Gabriel Lucifer: „Freundschaften und Auseinandersetzungen bergen doch im Grunde die selbe spannende Intensität und zwar im Guten wie im Schlechten. Nie habe ich diese banale Art von Freundschaften, wie viele sie heutzutage pflegen, verstanden. Ich glaube, dass auch du Freundschaft bisher stets falsch definierst hast. Das mag an deiner bewegten Vergangenheit liegen. Einiges davon konnte ich anhand der Notizen und Bilder in deinem Hotelzimmer versuchen zu verstehen. Ein durch und durch faszinierendes Erlebnis – eine Zeitreise durch dein Leben. Äußerst interessant. Aber eines fehlte in deinen manifestierten Erinnerungen – ICH! Das werden wir schon bald geändert haben, Stevie. Au revoir, mein neuer Freund.“

Sprach der ehemalige Principal, winkt freundlich zum Abschied und macht auf dem Absatz kehrt, verschwindet so schnell wie er erschienen ist.

Stevie Van Crane schaut Lucifer hinter her.

Das ist jemand, der ihn als „Freund“ bezeichnet.
Was würden dann die PCWA’ler tun, die ihn als Feind ansehen?

Van Crane blickt auf die noch leere Email vor sich.

SVC: „Ich brauche Hilfe..“

Ein flüsternder Satz nur, drei Worte.

In einer Welt wie der PCWA sind sie oft tabu.
In einer Show der Selbstsicheren, der Vergelter, der Schlächter und Ikonen ist so ein Eingeständnis fehl am Platz.

Stevie atmet tief durch. Dann fliegen seine Finger über die Tastatur.

‚Ich brauche deine Hilfe. Auch wenn du vielleicht keinen Grund hast, mir sie zu geben.
Dieser Versuch ist es mir wert.’

Er setzt ab, schaut zum Fernseher.
Die Fischer sitzen noch immer in düsterer Nacht auf dem schaukelnden Boot.

Stevie Van Crane klickt sein Adressbuch durch.

Vielleicht doch Ares..?
Vielleicht Cording.
Oder ein Versuch gar bei Evil Dead?

Nackt und leer glotzt ihn die leere Adresszeile der Email an.

Und dann - wie einer Offenbahrung gleich - gleitet sein Blick aus den zusammengezogenen Augen über den Rand des Laptops hinweg zu dem kleinen Fernseher in der Ecke.

In dem Schwarz-Weiß-Film unterhalten sich die alten Fischer.

‚Dumme Raubvögel..’

‚Wieso?’

‚Du sagst, sie fangen ihre Fische direkt an der Oberfläche.
Du sagst, sie streifen das Wasser nur mit ihren Krallen. Vorsichtig, im Flug.
Dabei gäbe es doch grössere Beute, wenn sie ein paar Fuß tief tauchen würden.’

 ‚Das würden sie niemals tun.’

‚Wieso nicht?’

‚Weil sie das Wasser nicht aufschrecken wollen. Weil sie Angst haben. Weil sie wissen, dass in der Nahrungskette etwas über ihnen steht.
Deshalb streifen selbst Raubvögel nur vorsichtig über das Wasser.
Darum werfen wir nicht achtlos einen Stein hinein.
Schlage keine unnötigen, großen Wellen.
Schrecke niemals das Wasser auf.’

Und obwohl er nicht weiss, ob sie vielleicht schon längst abgeschaltet ist oder ihm überhaupt jemand antworten sollte...
In diesem Moment weiss Stevie, welche Email-Adresse er eingeben wird.



Actions