Scene

Id
3139  
Name
SNAFU  
Summary
 
Position
11  
Scenetype
Live  
Created At
2016-12-15 22:42:09  
Edited At
2016-12-27 00:18:43  
Show
Imperial Impact 11  


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.. Zwei Tage nach dem IMPERIAL IMPACT ..

Die Stuhlreihen sind gefüllt mit traurigen Individuen. Sie sind in sich zusammengesunken, desillusioniert und desinteressiert. Sie haben die Arme vor der Brust verkreuzt und schauen diesen Mann in ihrer Mitte an, als hätten sie jedes einzelne Wort, das er gleich sagen wird, schon tausendmal gehört.

Nur die Psychologin mit dem obligatorischen Klemmbrett gibt sich alle Mühe Interesse zu suggerieren. Sie hat den rechten Arm auf das übergeschlagene Bein gestützt, aufmerksam auf ihn blickend, sich zwingend, über sein ramponiertes Äußeres nicht zu schnell zu urteilen.

„Hallo, ich bin Darren..“

Ein Echo aus traurigen Stimmen.

„Hi Darren.“

Der Mann, der CIRCUMVENT ist, hängt in seinem Stuhl wie ein nasser Sack. Er kippelt, droht fast umzufallen. Die Beine ausgebreitet, die Arme hängen wie tote Schlangen an den Seiten herunter. Wo soll er anfangen? Am besten bei gar nichts. Und er wäre auch überhaupt nicht hier, wenn die PCWA-Führung diesen bestellten Termin nicht als ‚alternativlos‘ bezeichnet hätte.

CV: „Ihr fragt euch wahrscheinlich, warum ich so aussehe. Was passiert ist. Es ist eine lange Geschichte. Ich meine, wirklich WIRKLICH lang. Sie ist nicht schön. Nicht immer. Vielleicht sitze ich in drei Jahren in einem Pub in East London und lache unkontrolliert auf, weil mir diese Story wieder einfällt. Spoiler Alert: Heute wird niemand lachen.“

Sein Blick schweift in die Ferne, abwesend, als wäre er immer noch im Rausch der Nacht. Seine Augen sind gläsern und zugleich strahlend.

Circumvent grinst mit seinem schiefen Eckzahn in die Leere hinein. Sein blasses Gesicht zeigt fantastische Farben. Grün an der rechten Wange, durchzogen von heilenden, dunkelrroten Rissen. Sein rechtes Auge ist angeschwollen und komplett lila, die Iris voller Blut. Schrammen am Hals, Hämatome am unrasierten Kiefer.

Und er grinst sich verträumt in diese Nacht hinein und spricht irgendwann einfach weiter.

CV: „Wo fange ich an, liebe Mitgefangenen? Well.. let’s see. In dieser Geschichte geht es – je nachdem aus welchem Blickwinkel ihr es seht – um eine Vespa Primavera. You know, diese rollenden Chick Magnets, deren Motor sich anhört wie ein brünftiger Pavian. Und um – what’s his name? Kriss Dalmi. Yeah, it’s about him too. Es geht um die Konsequenzen, wenn man ein simples Stück Papier.. verlegt. Und dann war da noch dieser riesige, zwei Meter große Plüschvogel. Und natürlich, wie in jeder großartigen Geschichte – geht es auch um Alkohol – und um eine Frau.“

Circumvent hebt seine rechte Hand, die komplett in Bandagen eingewickelt ist.

CV: „Oh, right. Und wie das hier passiert ist.“

So mit der ‚völlig egal‘-Attitude kramt der Waliser eine verbogene Zigarette aus der Innentasche seiner dreckigen Armeejacke. Es bereitet ihm sichtbare Schmerzen, sie anzuzünden.

CV: „Habt Geduld. Es lohnt sich. So kids, wo war ich? Ah, right.. Da waren diese Herren, diese wirklich, WIRKLICH..“

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.. gut gekleideten Herren der PCWA-Promotionabteilung, welche zunehmend genervt auf die Uhr blicken. Auch die Leute hinter den Kameras wischen sich gelangweilt über ihre Stirn.

Es ist schon eine surreale Szene. Vor einer roten Leinwand mit dem Logo der PCWA steht ein überdimensionales Plüschmaskottchen. Ein Phönixvogel, komplett mit flauschigen Flügeln und großem Plastik-Schnabel, der die PR-Guys um ein paar Köpfe überragt. 

Wie so die Gehirne der Leute in der Werbungsabteilung funktionieren: Ein Beispiel nehmend an großen Teams, Unternehmen und Sportligen wurde ein Maskottchen entworfen und konzipiert, um damit in Zukunft bei entsprechenden Anlässen die Werbetrommel zu rühren. Kids lieben Maskottchen. Jeder tut das.

Wer allerdings auf die Idee kam, diesen überdimensionalen Phönixvogel von einem abgehalfterten BritPop-Star präsentieren zu lassen, war entweder total auf dem Holzweg. Oder viel cleverer was Publicity Stunts betrifft als der Rest von allen Werbeplanern.

Aus dem Hintergrund ist das schrille Kreischen einer Frau zu hören.

Kriss Dalmi: „Willst du mich auf den Arm nehmen?“

Blankes Entsetzen spiegeln die Augen der PR-Dame mit dem Headset wider. Sie kann nicht fliehen, weil er sie an den Oberarmen festhält und ihre nicht minder erschrockenen Kollegen es scheinbar nicht als nötig erachten, sich für sie in Gefahr zu begeben. Der Belgrader, den man kurz vorher noch auf dem verschneiten Parkplatz vor dem PCWA Dome sehen konnte, schlenderte gerade zufällig an der Szenerie vorbei, als die junge Management-Assistentin den folgenschweren Fehler beging, ihn anzusprechen.

Kriss Dalmi: „Sag mir bitte noch mal ganz genau, was du von mir willst.“

PR-Dame: „E-es tut mir leid, Herr D-dalmi.“

Kriss Dalmi: „WIEDERHOL' ES, HAB' ICH GESAGT!“

Sie zuckt zusammen, zittert am ganzen Leib, lässt ihren Tränen freien Lauf. Es ist das erste Mal überhaupt, dass sie mit einem der Wrestler in Kontakt tritt, seit sie vor etwas mehr als einem Jahr die Stelle als Management-Assistentin in Berlin angenommen hat. Dabei beschränkte sich ihr Wirkungsbereich meistens bloß auf die Marketingabteilung im Hauptsitzgebäude der PCWA. Die Geschichten, die die Kollegen über solche Athleten wie Azrael Rage, Robert Barker oder eben jenen Kriss Dalmi erzählten, der sie gerade aus großen Augen und Nase an Nase anstarrt, hielt sie immer für genau das – Geschichten. Geschichten, die man der Neuen auftischt, um sich einen Spaß auf ihre Kosten zu erlauben. Ein Trugschluss, wie sich nun herausstellt.

PR-Dame: „Dieser Newcomer m-mit dem Namen Cir-cirvumvent sollte unseren 'Phoe' p-präsentieren... a-aber er ist nicht aufgetaucht u-und da dachte ich, dass sie k-kurz...“

Kriss Dalmi: „...den Clown bei eurem Kindergeburtstag spielen könnte? Diese Vorstellung fandest du urkomisch, was? Hast du dir diesen Witz zusammen mit deinen chai-latteschlürfenden Yuccie-Freunden aus der Marketingabteilung ausgedacht? Habt ihr eine kleine Mutprobe daraus gemacht, bei der sie dich vorgeschickt haben?“

Für einen Moment gleiten die bohrenden Augen des Serben hinüber zu "Phoe" und den Kollegen, die immer noch wie versteinert dastehen.

Kriss Dalmi: „Ich bin der verfickte No. 1 Contender und in wenigen Stunden EUER verfickter, neuer Undisputed Gerasy Champion. Wie kommst du Schlampe auf die wahnwitzige Idee, dass ich für so einen Unsinn Zeit hätte?“

Freilich hätte er auch einfach nein sagen und weitergehen können, was im Prinzip am meisten Zeit gespart hätte. Aber wo bliebe denn da der pädagogische Mehrwert? Seine zu Klauen geformten Hände bohren sich noch tiefer in ihre Haut.

PR-Dame: „B-bitte tun Sie m-mir nicht weh.“

Sie schüttelt vehement den Kopf, ihr angsterfüllter Blick ein Tor zu hunderten Schreckensszenarien, die sich alle gleichzeitig in ihrem Kopf abspielen. Es ist keine echte Wut, die die Visage des Irren vom Balkan verzerrt. Eher ein ausschweifendes Gefühl der Dominanz, Lust am Schrecken einer Frau, da sie einen Schlag Mensch repräsentiert, den er beinahe genauso verachtet wie die feine Gesellschaft, die aus ihrem Elfenbeinturm auf Menschen wie ihn herabblicken. Und doch sind sie alle gleich, wenn sie vor ihm stehen. Sie beben. Vor Furcht gelähmt. Unwürdige Insekten.

Der Meister der Geschmacklosigkeiten fährt seine Zunge aus, nähert sich ihrer nassen Wange, wiehert obszön... als aus dem Hintergrund die raue Stimme des Mannes erklingt, der für diesen vollkommen außer Kontrolle geratenen PR-Termin ursprünglich vorgesehen war.

„I’m here. I’m here. Bloody hell.. lasst uns den Scheiß schnell machen..“

Circumvent kommt angelatscht, mit weit ausholenden Armbewegungen. Die Augenringe hinter einer großen Sonnenbrille versteckt, die Mundwinkel schräg hochgezogen in einer Mischung aus Amusement und ‚ich mache alles mit für einen Bonus‘.

Sein rechter Arm mit der frisch angefangenen Whiskyflasche hängt beim Gehen so tief, dass der Boden der Flasche fast den Boden berührt. Als würde er Dalmi, der die Frau während seines extravaganten Auftritts unweigerlich aus seiner Gewalt entlassen hat, gar nicht kennen, schlägt er diesem beiläufig auf die Schulter und drückt ihm die Flasche in die Hand.

CV: „Halt das kurz. Ich will kein schlechtes Beispiel für die Kids da draußen sein, wenn die das gleich über Netscape sehen.“

Yeah, er lebt immer noch in den Neunzigern.
Er nimmt die Sonnenbrille ab, tiefe Augenringe offenbahrend. Er hält Dalmi die Brille hin, ohne diesen anzugucken.

Doch der nimmt sie ihm nicht ab. Starrt abwechselnd auf Circumvent und die Flasche in seiner rechten Hand und fragt sich währenddessen, ob die Bastarde, die mit ihren fetten Ärschen in der Regie sitzen, sonst noch irgendwo Kameras versteckt haben. Und ob nicht vielleicht Breads etwas mit der Sache zu tun hat.

Kriss Dalmi: „Hast du auch nur die geringste Ahnung, an welchem Baum du gerade dein Bein hebst?“

Der Waliser blickt kurz und oberflächlich auf den Number One Contender.

CV: „Yeah. Keine Ahnung. Lass mich raten, du bist der Typ für die Sparringsfights vom Trainingsgelände? You know, der mit dem miesen Mundgeruch, mit dem niemand in den Lock Up gehen will? Schön dass du hier auch mit an Bord bist. Jede Gelegenheit nutzen, um die Leiter zu erklimmen.. sage ich immer wieder.“

Dann wendet er sich mit ausgebreiteten Armen an alle Umstehenden.

CV: „Lads & Gents, Circumvent is here. Der Typ mit den drei Siegen gegen .. drei andere Typen, die bestimmt bessere Namen tragen als ich. Sorry für die Verspätung, der Ausschank in meiner Hotelbar hatte erst früh am Morgen Sperrstunde. Aber – no worries – ich bin jetzt hier. Mit totalem Interesse daran, diesen Vogel der Welt zu präsentieren und mit seiner lächerlichen Gestalt meinen Namen in Verbindung zu bringen.“

Energischer als vorher streckt er Kriss Dalmi die Sonnenbrille entgegen. Nichts passiert. Der Waliser hält den Kopf schräg, schließt kurz die Augen, als das Blut darin in alle Richtungen zu schießen scheint und es wieder anfängt, hinter seiner Stirn zu hämmern.

Kriss Dalmi: „Sieh mal einer an. Nun locken sie also schon die Fernsehprediger des Schwachsinns in die PCWA, um das nächste PR-Wunder in Jonas Unterhaltungskirche zu wirken, auf das sich die Apostel der schreibenden Zunft dann im Anschluss stürzen können, eh? Das Blondchen ist sich inzwischen wirklich für nichts mehr zu schade, wie man in dir jämmerlichem Abziehbild eines Rookies sehen kann. Aber es funktioniert ja. Du taumelst vollkommen unvorbereitet von der einen Gala zur nächsten Party und von dort in einen Wrestlingring, während die Skandale dir wie deine Alkoholfahne überall hin folgen. Ich wette, allein wegen dieses Auftritts sitzen sie in ihren Redaktionen bereits an ihren MacBooks und tippen sich die Fingerkuppen wund. Aber vermutlich ist das alles auch nur ein prätentiöses Spiel, um für die Boulevardpresse möglichst avantgarde und post-post-modern zu wirken. Bisher war nämlich kein anderer Frischling so naiv, sich nicht mehr an den Namen des Königs zu erinnern, dessen Palast er durchfegt.“

Er gibt sich Mühe, auf herablassende Art amüsiert zu wirken, kann den Ärger darüber, dass der Brite ihn hier so auflaufen lassen hat, jedoch nicht vollends hinter seiner angespannten Grimasse verstecken.

CV: „Well, fuck you, Mister.. Mister..“

Er sucht in den Windungen seines verkaterten Hirns nach einem passenden Namen zum bekannten Gesicht, das er durchaus kennt.

CV: „Mister.. Jackass. Natürlich kenne ich jeden hier. Ich habe tausend VHS-Tapes der PCWA auf Shortplay auf meinem Panasonic geschaut. Diese Vorurteile von versnobbten Alteingesessenen sind zum Kotzen. Hast du nicht auch klein angefangen? Autogramme geholt von deinen Idolen oder ihnen Glenfiddich zum Halten in die Faust gedrückt? Du hast sicher auch vor Promotionplakaten gestanden, lange vor deiner Zeit als arroganter Know-It-All, wie eine scheiß Hostess an der Seite von..“

Circumvent bricht ab und schaut auf ‚Phoe‘.

Er sieht ihn lange an, mustert den gigantischen Plüschvogel von oben bis unten. Das Maskottchen legt den gewaltigen Kopf etwas schräg und der Plastikschnabel scheint zu nicken.

CV: „.. an der Seite von drei Meter großen.. Schnabeltier-Orang Utan-Kreuzungen oder whatever that thing is. Jeder, der in der PCWA heute Champion ist, stand hier schon, wo ich jetzt stehe! Mein Punkt ist..“

Er schnippt unter gewaltigem Anstrengen mit den Fingern. Als ob das was helfen würde.

Kriss Dalmi: „Kriss... Dalmi...“

Seine Hände verkrampfen sich. Gieren förmlich danach, sich um den Hals dieses besoffenen Inselschweins legen zu dürfen und ihm den letzten Rest Leben aus dem Körper zu würgen.

CV: „DALMI. Richtig, knew it. Hör zu, Kriss.. ich habe die Mutter aller schreienden, kleinen Hangover-Babies gedatet. Mein Kopf fühlt sich an, als würde man ihn mit einem Rasenmäher frisieren. Also warum sind wir nicht alle gute und anständige Soldaten und stellen uns gemeinsam an die Seite dieses Urviechs, damit die Jungs hier die Präsentation bekommen? Deine Fans werden am Ende der Show sagen: Hey, unser Hero Kriss hat zwar vielleicht von...“

Kriss Dalmi: „Breads.“

Der Serbe speit diesen Namen mit der größtmöglichen Verachtung aus, obwohl sich sein Gegenüber auf seiner Todesliste ganz im Gegensatz zu seinen musikalischen Verkaufserfolgen Chartplatz um Chartplatz nach oben kämpft.

CV: „Like i said.. von Breads gewaltig die Fresse poliert bekommen, aber zumindest ist er in unseren Herzen ein Gewinner, weil er zusammen mit diesem aufstrebenden, nicht immer frisch aussehenden Briten den überdimensionalen PCWA-Pelikan präsentiert hat.“

Circumvent stolpert fast, als er einen Schritt auf Phoe zu geht.
Er deutet mit betont pathetischer Geste auf das neue PCWA-Maskottchen.

CV: „Und der Typ, der bedauerlicherweise unter diesem Kostüm steckt, wird sein Leben lang daran denken, diesen Moment hier mit uns geteilt zu haben. Mit Circumvent. Mit Kriss Dalmi. Er geht abends nach Hause und denkt sich: Gott sei Dank habe ich nichts Anständiges studiert, sonst wäre mir dieser erfüllende Augenblick in meinem Leben erspart geblieben.“

Und so als ob die Person im Phönixkostüm diesen Punkt unterstreichen möchte, beginnt Phoe mit seinen roten Plüschflügeln zu flattern, woraufhin Circumvent Dalmi einen nüchternen Blick zuwirft, der so überhaupt nicht zu seinem momentanen körperlichen Zustand passen will. Das bis eben noch tuschelnde Publikum, welches aus den findigen Gurus der Presse- und Marketingabteilung besteht, verwandelt sich zum wiederholten Male in ein Wachsfigurenkabinett – darauf lauernd, den unmittelbar bevorstehenden Skandal entweder in eine virale Kampagne oder den nächsten, "bedauerlichen Ausrutscher" eines Workers umzumünzen. Nichts dergleichen passiert jedoch. Dalmis Mundwinkel zeigen nach oben.

Kriss Dalmi: „Sind dir die ironischen Qualitäten deiner Ratschläge eigentlich bewusst, oder geht das in den Alkoholfluten, die durch deinen Blutkreislauf zirkulieren unter? Nun, ist ja eigentlich auch egal. Da du es mit deinen unbeholfenen Torkelschritten bereits angestoßen hast – lass uns über das Thema Rückbesinnung reden, um ein paar bestehende Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Beginnen wir etwa damit, dass ich nur deshalb im Main Event vom Imperial Impact 11 stehe, weil die Fans – und dieser Begriff ist in meinem und Breads speziellen Fall sehr lose zu verwenden – bei Vendetta 119 in einem Voting für mich abgestimmt haben. Für MICH! Und das obwohl ich in der Preshow von Out of Ashes noch ein Contendermatch gegen Grizz L33 verlor. Und das obwohl eben jene Fans genauso gut für James Godd oder Zereo Killer hätten abstimmen können, die doch eigentlich soviel beliebter und sympathischer sein müssten. Doch das wollten sie nicht. Sie wollten einen Gegner, von dem sie wussten, dass er ihre kanadische Laborratte auf sämtlichen Ebenen an die äußersten Grenzen treiben würde. Möglichst lange und intensiv will die sensationsgeile Sadistenschar ihren Champion leiden sehen. Natürlich ohne, dass er daran zugrunde geht. Er muss ja schließlich noch gewinnen, damit der Kreislauf aus Schmerz und Überwindung von neuem beginnen kann. Nur leider haben sie sich bei diesem einen Mal verschätzt. Hier wollen wir uns nämlich einer zweiten Tatsache besinnen.“

Inzwischen spricht er überhaupt nicht mehr zu Circumvent. Er kapert dessen Bühne und baut sich im Zentrum der stierenden Kameralinsen auf. Die ganze Welt soll es hören.

Kriss Dalmi: „Ich werde unterschätzt. Immer noch. Das zeigt allein die Art und Weise, wie sie – egal ob naive PR-Nutte, abgehalfterter Britpop-Nostalgia Act oder buhender Fan in der Halle – glaubten, mit mir umgehen zu können. Selbst nachdem ich bei der letzten Show gezeigt habe, dass ich besser bin als der beste Wrestler der Welt, gibt es da draußen im Internet noch verwegene Tastaturkrieger mit Eiern von der Größe zweier Bowlingkugeln, die sich auf den sozialen Medien über mich das Maul zerreißen und behaupten, dass das bei Vendetta 121 nur ein Ausrutscher war und Breads sowas in einer High Stakes Situation niemals passiert wäre. War aber das Tag Team Match bei der letzten Show nicht eine eben solche High Stakes Situation? Ist nicht jedes Match eine High Stakes Situation, wenn man mit stolzgeschwellter Brust behauptet, der 'beste Wrestler der Welt' zu sein, perfekt zu sein, über dem Rest zu stehen?“

Nicht ohne eine gewisse Belustigung hört der Waliser dabei zu, wie schier endlose, prahlerische Behauptungen aus dem serbischen Mund sprudeln. Ein bisschen so wie in der Zeit, als es zum guten Ton gehörte, vor Businessgesprächen mit A&Rs gemeinsam eine Linie Weißes zu schnupfen.

Kriss Dalmi: „Machen wir uns nichts vor: Der Sieg bei Vendetta 121 war genauso viel wert wie der, der später noch im Main Event folgen wird. Er hat nämlich eines bewiesen: Das, was der Undisputed Gerasy Champion allen aufgetischt hat, war eine Lüge. Er hat die PCWA-Fans angelogen, er hat die Offiziellen angelogen, er hat seine Locker Room-Kollegen angelogen. Vor allem hat er aber sich selbst angelogen. Nun kennen alle die unbequeme Wahrheit – Robert Breads ist nicht der beste Wrestler der Welt, Robert Breads ist nicht der perfekte Athlet. Nur ein kleiner Sprung im Porzellan hat ausgereicht, um den Mythos in sich zusammenstürzen zu lassen. Damit habe ich doch im Grunde schon gewonnen, nicht wahr? Ich bin der moralische Sieger, der heute Abend lediglich die Scherben zusammenfegt und endgültig im Mülleimer entsorgt, wo sie hingehören.“

Ein schiefes Lächeln legt sich über seine Lippen. Die falschen Zähne glitzern voller Stolz im Scheinwerferlicht.

Kriss Dalmi: „Der Undisputed Gerasy Title wird im Main Event den Besitzer wechseln. Das ist ein Fakt, der durch Robert Breads Arroganz und der Ignoranz der PCWA-Fans erst unumstößlich gemacht wurde. Dieses Match wird ein Lehrstück darin sein, was passiert, wenn man der Sonne bei seinem Höhenflug zu nah kommt. Und ein Rookie wie du...“

Dalmis Blick schweift zu Circumvent ab, der daraufhin ruckartig seinen Kopf hebt und den Mann im Zentrum der Aufmerksamkeit anblinzelt.

Kriss Dalmi: „...sollte bei diesem spektakulären Fall des Übermütigen ganz besonders hinschauen, wenn er nicht genauso enden will.“

Circumvent setzt sich die Sonnebrille betont langsam wieder auf. Wie ein britischer David Caruso, bevor ein erbärmlicher, langer Einzeiler in die Kamera gesprochen wird.

Ein paar Schritte sind die Distanz zu Kriss Dalmi, die er überwindet. Direkt vor dem Number One Contender baut er sich auf.

CV: „You know what? Ich weiß doch selbst nicht, ob ich es hier zu was bringen werde. Die Kulisse hinter mir sollte vielleicht ein erster Hinweis auf Daumen hoch oder Daumen runter sein, was meine Karriere betrifft. Aber ich weiß EINE Sache. Wenn mein Quix-Pager klingelt und ich in diese Hallen gerufen werde, dann ist es völlig egal, ob ich eine Rollstuhl-Toilette eröffnen, rote Bänder durchschneiden oder die Kriss Dalmi-Statue vor dem Parkplatz einweihen soll. Ich tue es. Ich tue ALLES. You know why? Weil ich es will. Ich habe keinen Plan. Noch nichtmal einen Plan B. Ich habe meine goldenen Schallplatten, meine Gitarren und dieses Märchenland hier. Ich habe Hits geschrieben, die Gibson auf der Bühne zerbraten – und ich will Wrestler sein. Erfolgreich sein. Ich will nicht als One Hit Wonder enden, Kriss. Und das werde ich auch nicht. Und jetzt stell‘ dich.. verdamm nochmal.. mit mir zu diesem .. Ding dort!“

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„Yeah, das war der erste Fehler.“

Circumvent verzieht sein Gesicht, als er sich auf seinem Stuhl etwas nach vorne beugen will.

CV: „Genau genommen war es der Zweite. Der erste war, ihm die Flasche in die Hand zu drücken.“

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Kriss Dalmi hebt den rechten Arm mit der Whiskyflasche über den Kopf von Circumvent. Seelenruhig kippt er sie über ihm aus. Die braune Flüssigkeit fließt durch die Haare, ins Gesicht, in den beigefarbenen Pullover von CV.

Völlig gelassen stellt Kriss Dalmi die leere Flasche auf dem Boden ab, bevor er sich umdreht, um zu gehen.

Circumvent wischt sich mit einem verächtlichen Lachen den Whisky aus den brennenden Augen.
Spuckt zu Boden, was ihm in den Mund gelaufen ist. Doch hier geht es um mehr. Hier geht es um ein Statement. Von Neuling zu Number One Contender.

CV: „Ist das alles? Really? Das soll es sein, an das sich unsere Fans bei unserem ersten direkten Aufeinandertreffen erinnern sollen?“

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Stille.

In die Mienen seiner Zuhörer ist das blanke Unverständnis eingemeißelt.
Sie starren ihn an. Einige schütteln den Kopf.

Circumvent lehnt sich seufzend zurück und zuckt mit den Schultern.

CV: „Yeah, keine Ahnung was das sollte. Aber es war Fehler Nummer drei in einer Nacht voller Fehler..“

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Kriss Dalmi: „Oh, keine Angst! Sie werden sich nicht an uns erinnern.“

Urplötzlich holt er aus und verpasst dem Waliser einen Faustschlag, der ihn sofort zu Boden schickt. Kriss Dalmi blickt auf ihn herab. So wie man auf ihn herabblickt. Die Andeutung eines Lächeln blitzt auf.

Kriss Dalmi: „Zumindest nicht an uns beide.“

Circumvent liegt in einem kleinen See aus Whisky. Und das letzte was er sieht, bevor es Nacht um ihn wird, ist dieses gewaltige Vogelgesicht mit dem überdimensionalen Schnabel, der sich über ihn beugt..


Mike Garland: "Willkommen in der PCWA, Circumvent. Dieses Mal hat es nicht dazu gereicht, am Ende ein kleines Konzert zu spielen."

Vincent Craven: "Dalmi lässt sich natürlich nicht darauf ein, sondern zerstört den PR Auftritt des Briten. War für meinen Geschmack so unnötig wie Schimmel, aber hier hat sich dann doch gleich wieder der wahre Kriss Dalmi gezeigt."

Mike Garland: "Das eben mit Kevin Sharpe war auch der wahre Kriss Dalmi. Sharpe hat es nur schlauer angestellt als Circumvent, ihm zu begegnen."

Vincent Craven: "Tja, mal sehen wie der Rookie mit dieser Attacke umgeht. Der Serbe ist in jedem Fall ein anderes Kalliber als seine bisherigen Gegner. Circumvent sollte sich also gut überlegen, wie er oder ob er überhaupt reagiert."

Mike Garland: "Vielleicht spielt er doch lieber noch ein paar Konzerte für Fearless & Lawless - die treten nämlich jetzt in unserem Opener gegen das Team aus Asien Powerful TJ an."

Vincent Craven: "Wie wir gerade gehört haben, machen sich die Teams bereits auf den Weg zum Ring. Und danach kann es sogleich losgehen mit dem Match!" 



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