Scene

Id
3058  
Name
Transition  
Summary
 
Position
4  
Scenetype
Off Camera  
Created At
2016-10-04 21:44:22  
Edited At
2016-10-16 21:35:56  
Show
Vendetta 120  


Berliner Charité, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. 10. Juli 2016, 23 Uhr.

Sechs Tage ohne Zwischenfall.

Man hat mich in einem Einzelzimmer untergebracht. 'Sie neigen zu Gewalttätigkeit', sagte der Arzt, der meine Personalien aufgenommen hat. Nun, damit scheint er wohl Recht zu haben. Deswegen wurde ich in meiner ersten Nacht auch an das Bett gefesselt. 'Zu Ihrem eigenen Schutz.'

Zu meinem eigenen Schutz. Ich bin mir nicht sicher, ob das der einzige Grund ist. Eventuell möchte die PCWA auch nur ihre Investition vor sich Selbst schützen. Was allerdings ein nobler Gedankengang ist.

Es schmerzt beinahe mehr als das Brüllen in meinem Kopf, wieder klar denken zu können. Was eigentlich ein Paradoxon als solches darstellt, da ich bis zum Scheitel mit Sedativa vollgepumpt bin. Der Pfleger, der ab und zu nach mir gesehen hat meinte, dies sei 'Bei Menschen mit Persönlichkeitsspaltung zur anfänglichen Behandlung' völlig normal. Als ich ihm von der Bestie in meinem Kopf erzählt habe, die nun seit über 24 Stunden schweigt, hat er nur wissend genickt, die Riemen an meinen Handgelenken fester gezogen und das Zimmer mit den Worten 'Es wird alles gut.' verlassen.

Heute Nacht trage ich keine Fesseln an den Handgelenken. Die Ärzte sind der Meinung, dass die Medikamente gut anschlagen und ich mich frei auf der Station bewegen darf. Aber mir ist nicht nach Bewegung. Ich liege also mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf meinem Bett und starre Löcher in die Wände... warte darauf, dass das Brüllen wieder einsetzt. So wie es das in den letzten Monaten immer getan hat. Aber es ist still in meinem Kopf. Und diese Stille macht mich auf eine verdrehte Art und Weise genauso wahnsinnig wie der lähmende Kopfschmerz und das Rütteln des Anderen an den von mir aufgezogenen, mentalen Zäunen, die er schlussendlich durchbrochen hat.

Aber so sehr ich auch in mich hinein höre... der Andere ist weg. Oder hat sich zurück gezogen, um seine Wunden zu lecken... nur um dann mit noch mehr Wucht zurück zu kehren und erneut von meinem Geist Besitz zu ergreifen.

Ich ertrage die Ruhe nicht mehr. Ich muss aufstehen und nach draussen gehen.

Obwohl es kurz vor Mitternacht ist, ist der Flur der Station 155 noch sehr belebt. Denn obwohl es sich um eine sogenannte 'geschützte' Station handelt, dürfen die Patienten sich frei bewegen.

Ausser sie neigen zu Gewalttätigkeit. Aber dank der ausschließlich derartigen Kliniken vorbehaltenen Medizin bin ich weit davon entfernt, gewalttätig zu sein. Ich könnte im Moment nicht einmal einen Bleistift anheben, ohne dabei zu schwitzen wie ein Schwein.

Die seelenlosen Hüllen wandern, in Gespräche mit sich Selbst vertieft, an mir vorbei. Man kann es sich beinahe wie in diesen schlechten Filmen vorstellen. Nur, dass hier weder die Glühbirnen flackern, der Boden mit Scheisse und sonstigen Exkrementen bedeckt ist und in peinlicher Genauigkeit gequälte Schreie durch die Gänge hallen.

Nein. Es ist klinisch sauber, keine schmutzigen Zellen oder Wahnsinnige in Unterhemden. Ich selbst trage eine bequeme Jogginghose, warme Wollsocken und ein weisses T-Shirt. Der Boden ist warm... weit davon entfernt, einem die Kälte durch die Füße im ganzen Körper zu verteilen. Meine 'Mitinsassen' sind ähnlich gekleidet.

Und doch schwingt das Murmeln Einzelner wie ein leichter Sommerwind durch die Flure und verbreitet das Gefühl, hier gefangen zu sein.

Ich ertrage das nicht. Dann lieber wieder die Stille meines Zimmers.

Ich schwinge mich in mein Bett und hole das Foto unter dem Kissen hervor, dass mir trotz der strengen Auflagen doch geblieben ist. Halleluja, es lohnt sich doch, in irgendeiner Form berühmt zu sein.

Ich habe dieses Foto seit meiner Befreiung aus dem Gefängniss in Mexiko mit Sicherheit tausendmal hervorgeholt und minutenlang betrachtet. Es wurde direkt nach der Geburt unseres Sohnes aufgenomen. Ich streiche sanft mit den Fingern über ihr Gesicht. Es ist fast zehn Jahre her, aber ich vermisse sie immer noch. Jeden verdammten Tag. Und Baby Shannon...

"Ist alles in Ordnung?"

Wie in Trance wandert mein Blick zur Tür. Dort steht 'mein' Pfleger mit einem sehr besorgten Gesichtsausdruck.

Sharpe: "Ja... nein... wieso?"

Ein mitleidiges Lächeln umspielt sein Gesicht. Hatte ich etwa geweint?

"Kevin, ihr Weinen war bis zur Pflegerstation zu hören. Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie etwas?"

Ich schiebe das Foto in meine Hosentasche und hoffe, dass er es nicht gesehen hat. Was eigentlich eine unsinnige Handlung ist, da er genau weiss, dass es sich in meinem Besitz befindet.

Sharpe: "Nein. Es geht mir gut. Was angesichts meiner Unterkunft eigentlich wie ein Witz klingen muss."

Der Pfleger stellt mir einen Plastikbecher mit einem medizinischen Präparat auf den Nachttisch. Sicherlich ein Schlafmittel.

"Nur zur Sicherheit. Ansonsten kommen Sie vorne bei der Pflegerstation vorbei. Ich bin die ganze Nacht hier."

Ich nicke, und allem Anschein nach mache ich wirklich den Eindruck, als käme ich zurecht. Er schließt die Tür hinter sich und ich bin wieder allein mit meinen Gedanken. Diesen so herrlich ruhigen Gedanken.

Als ich merke, dass mein Kissen nass ist und realisiere, dass ich schon wieder geweint habe, greife ich zu dem Plastikbecher, kippe die Pillen in meinen Hals und spüle mit Wasser nach.

Ich sollte mich ausruhen. Morgen ist ein großer Tag. Ich werde nach 72 Stunden hier auf der geschützten Station verlegt. Auf die offene Station 153. Und wenn alles gut geht, beginnt übermorgen schon meine Therapie. Bevor mir das Schlafmittel die Sinne raubt krame ich noch einmal das Foto hervor. Berühre mit meinem Daumen das neu geborene Baby.

Sharpe: "Daddy wird wieder gesund. Und dann wird alles wie früher!"

Es müssen nur Minuten gewesen sein, als ich in einen wohligen, von Medikamenten begünstigten Schlaf falle.



Actions