Es gibt Tage, an denen spürt man bereits beim Aufstehen, dass irgendetwas nicht stimmt. Dass irgendetwas völlig aus dem Ruder läuft, dass die Zeichen der Zeit das im amerikanischen beschworene „writing on the wall“ ein Unheil ankündigen. Aus dunkler Vorahnung wird eine Gewissheit. Aus Gewissheit wird ein Fakt. Eine unumstößliche Tatsache. Was es war, das den Chicagoer Chris McFly jr. diese Vorahnung gab, die zu einer Gewissheit und einer Tatsache werden sollte, das konnte er nicht mehr benennen. Bereits vor wenigen Tagen, als er Kathy in Chicago zum Flughafen gebracht hatte, damit sie ein paar Tage früher in Berlin sein konnte für ihre ersten Termine, hatte ihn etwas gepackt und einen dunklen Schatten auf sein Gemüt gelegt. Eine unnatürliche, nicht kreatürliche Unruhe hatte ihn erfasst und ohne dass er den Finger darauf hätte deuten können, wusste er, es wird Probleme geben. Und es werden keine kleinen Probleme sein.

Nun stand er in der Tür zu seiner ihm zugewiesenen Kabine in Berlin. Die Tür war verschlossen gewesen. So wie sie es auch sein sollte. Er starrte in die Dunkelheit dieses Locker Rooms und traute sich nicht, das Licht einzuschalten. Die dunkle Vorahnung war nun an dem Punkt, an dem sie begann sich in die Gewissheit zu verwandeln. Genau jetzt in diesem Moment. Unausweichliches lag in der Düsternis der Kabine, die eigentlich sein Zuhause, weit weg seines eigentlich Zuhauses, sein sollte. Das Home away from Home.

Wie kalte Finger umschloss die Schwere der Gewissheit sein Herz. Er konnte sich noch umdrehen. Er hatte heute kein Match. Musste nur anwesend sein. Noch konnte er sich einfach ins Foyer setzen, warten bis Vendetta fertig ausgestrahlt war, und dann einfach wieder Richtung Flughafen verschwinden. Nein. Das passt nicht zu ihm. Nicht zu dem einstmals so furchtlosen Streetfighter. Nicht zu dem Mann, der sich als absolut grünster aller grünen Rookies Wrestling-Dämonen wie dem Dragon Warrior gestellt hat. Der Robert Breads und Marvin Percio schon an anderen Orten des Wrestling-Zirkuses besiegt hat. Die kalten Finger der Gewissheit griffen nach seinem Herzen und seinem Verstand. Die dunkle Vorahnung, die sich heraus kristallisierende, kalte Realität holte ihn ein. Und er war noch ein Fingerschnippen davon entfernt. Ein Druck auf den Lichtschalter und die Gewissheit, dass irgendetwas nicht stimmte, würde endlich ein Gesicht bekommen.

Und so wurde es Licht im zweiten Zuhause des Technical Streetfighters.

Für einen Moment muss er die Augen schließen. Die Lider zusammenpressen, weil ihm das plötzliche Auflodern der kalten Neonsonne in seinen Augen schmerzt. Ein gnädiger, kurzer Moment der Verzögerung, der ihm noch einen kleinen, bescheidenen Aufschub vor dem spürbar Unausweichlichen gibt.

Doch nichts hält ewig. Und so hält CMJ die Augen nicht weiter verschlossen. Seine Augen wandern unruhig durch die Kabine. Etwas ist anders. Etwas stimmt überhaupt nicht. Und in den Sekunden, in denen er versucht den Geruch von abgestandener, fünf Wochen alter Luft zu ignorieren, finden seine Augen den Platz, der ihm das ewige Fernweh in seinem vom Reisen geplagten Körper nehmen soll.

Das Regal mit den Zeitzeugnissen.

Es ist leer.

CMJ: „…“

Der Mund, sonst eine seiner wichtigsten Waffen, steht offen und er bringt keinen Ton über die Lippen. Gleichzeitig schießen die Fragen in seinem Kopf und in dem von Erschöpfung geplagten Verstand umher. Wie Atome in einem Kernreaktor jagen sie in Bruchteilen von Sekunden umher. Eine innere Leere geht mit der Gewalt eines tief fliegenden Ambosses einher und erwischt ihn ohne eine vorherige Ankündigung und wirft ihn aus der mentalen Umlaufbahn.

Irgendjemand hat die Zeitzeugnisse gestohlen. Das ist gewiss. Und weder der einstige Wandervogel des Wrestlings, noch irgendjemand sonst muss dafür Kriminologie studiert haben.

Langsam geht er zum Regal und greift nach dem einzigen was noch dort liegt. Ein Aufstellkärtchen. Bekritzelt mit einer Uhrzeit und einem Datum. Und einem Ort, an dem er sich einzufinden hat. Die gleichen zeitlichen Eckdaten wie die, welche in diesem ominösen Dying Culture Tweet zu lesen waren.

CMJ: „Diese... diese verdammten Kellerasseln... ich...“

Einatmen. Ausatmen. Den Fokus wieder finden. McFly sieht die Buchstaben und liest die Zahlen. Ein schneller Blick auf die Uhr. Es bleibt noch Zeit. Mehr als er derzeit brauchen würde, um in den Keller zu kommen.

Er schließt die Augen. Hofft nun, gleich aus einem Traum aufzuwachen. Doch es ist keine Tiefschlafphase, die ihm einen Alptraum beschert. Dieser Nachtmahr, er ist Wirklichkeit.

CMJ: „Fucking Dalmi...“

Eine Erkenntnis, die wie ein tonnenschweres Gewicht auf seinen Verstand drückt. Soll er sich dieser Aufforderung verweigern?

CMJ: „Was hat er vor?“

Instinktiv weiß er, dass er keine Chance hat, dem was passieren soll zu entgehen. Sehenden Auges muss McFly dieser Aufforderung nachkommen.

CMJ: „Von hieran kann es nur noch schlimmer werden.“

Er nimmt die Karte, steckt sie in seine Hosentasche und verlässt die Kabine. Er schließt die Tür ab. Seine rechte Hand ruht auf dem Türrahmen. Schwer geht sein Atmen. Die Kriegsspiele haben ein neues Niveau erreicht.

 

Mike Garland: "Klepto-Kriss hat mal wieder zugeschlagen!"

Vincent Craven: "Kommt das so häufig vor? Und vor allem.... bist du dir sicher, dass er es war?"

Mike Garland: "Hat McFly doch gesagt. Und natürlich hat Dalm1 schon einige Dinge gestohen. Dalm. Eins. Wie bescheuert das klingt. Natürlich hat Dalmi schon einige Dinge geklaut, zum Beispiel viele viele Jahre der Karriere von Robert Breads in ihren Duellen."

Vincent Craven: "Und die Cryption Crown, hat er die etwa auch gestohlen?"

Mike Garland: "Die hat er sich natürlich verdient. Aber wo du es anzweifelst, dies sind wirklich merkwürdige Maßnahmen. So aus dem Hintergrund. Sieht Dalmi nicht sonderlich ähnlich, er sucht ja sonst die direkte Konfrontation."

Vincent Craven: "Du meinst Chris McFly kann sich glücklich schätzen, dass Dalmi ihn nicht attackiert und ihm etwas gespritzt hat?"

Mike Garland: "Wenn Dalmi es überhaupt war. Mysterlös das Ganze."

Vincent Craven: "Das ist es auf jeden Fall. Nun sollte im Übrigen unser zweites Match des Abends stattfinden..."

Mike Garland: "Schauen wir doch mal, ob er zum Ring kommen wird oder aber nicht..."