Anderthalb Jahre waren sie ein Paar gewesen, bis Grizz Lee nicht nur die GCW sondern auch Melissa Jade verließ. Danach hielt sie nichts mehr in Frankfurt. Sie ging für einige Zeit nach Übersee, um sich als Ringsprecherin in verschiedenen Independent-Ligen zu versuchen. Doch auch dort herrschten vorrangig Gewalt und Intrigen, und sie sah ein, dass dieses Business nichts mehr für sie war. Ohne sonstige Kontakte zu suchen, ging sie wieder zurück nach Deutschland. In verschiedenen Städten arbeitete sie als Bedienung oder Tänzerin in Bars oder Nachtclubs, für einen Aufstieg auf der Karriereleiter fehlte ihr der innere Antrieb. Zumal das Geld stimmte. Ein Mal, in Bremen, wären sie sich beinahe wieder über den Weg gelaufen. Doch er war zu feige, zu ihr zu gehen und sich zu entschuldigen. Nach all den Jahren, in denen auch er zu diesem Zeitpunkt nichts mehr mit Wrestling zu tun haben und mit der Vergangenheit abschließen wollte.
Doch natürlich kam alles anders.

Es war der Abend, an dem Tresalem Avelino, ihr Stiefbruder, zum ersten Mal in einer Show der PCWA zu sehen war, der den Ausschlag gab. Sie verfolgte die Liga seit sie gehört hatte, dass Stevie, Eleven, Kev und natürlich Grizz wieder ihren Weg zurück in den Ring gefunden hatten. Einige Male schon hatte sie das Telefon in der Hand und fragte sich, ob die Nummer noch immer die gleiche war. Als sie den verschollen geglaubten Tre dann sah, musste sie es herausfinden. Auch wegen ihm.

Seitdem hatten sie sich einige Male getroffen, über die Vergangenheit geredet, was sie so in der Zwischenzeit gemacht hatten. Nun, meistens redete sie, aber das war kein Unterschied zu früher, denn er hatte ihr immer gerne zugehört. Sie vermied es auch so gut es ging, ihm Fragen zu seinen Beweggründen zu stellen, warum er sich Eleven angeschlossen hatte. Er wechselte dann schnell das Thema, redete mit lodernden Augen über den höchsten Gürtel der Liga und dass ihm Niemand im Weg stehen darf oder ihn aufhalten wird.
Am Ende landeten sie dann immer in seinem Bett. An eine Beziehung war nicht zu denken, das sprachen sie auch beide nie an. Und das war gut so. Dennoch unternahmen sie wann er immer er konnte etwas zusammen.

So auch vor einigen Wochen.

Mel schlief noch, als die Sonne schon längst ihre Strahlen durch die halb geöffnete Jalousie sandte, während er schon im angrenzenden Wald Laufen gewesen war und im hauseigenen Trainingsraum einige Kraftübungen gemacht hatte. Ein angenehm kühler Luftzug weckte sie, als er das Fenster öffnete und sich lächelnd zu ihr wandte.

Mel: "Morgen..."

Grizz: "Fast schon Mittag."

Gähnend strich sie sich die dunkelblonden Haare aus dem Gesicht.

Grizz: "Hör' zu, ich hab' nachgedacht und auch mit Tre darüber geredet."

Er kam gleich zum Punkt, da er noch einiges zu tun hatte.

Grizz: "Ihr könntet Euch wirklich bald mal treffen, und ich weiß auch schon wann und wo."

Mel: "Aber nicht bei einer dieser Shows! Und ich will, dass Du dabei bist. Zumindest am Anfang."

Er stutzte kurz. Mit dem ersten Teil war er einverstanden, auch wenn es da einen Kompromiss geben musste. Aber so furchteinflößend, dass sie jemanden zum Händchenhalten brauchte, war Tre nun auch nicht... mehr. Nun gut, es passte in seinen Plan, den er zu schmieden begann.

Grizz: "Tut mir leid, aber es ist nicht wirklich so, dass Salem und ich jetzt dicke Buddies sind und regelmäßig einen trinken gehen oder sowas. Beim anstehenden Pay Per View wird er garantiert dabei sein, und auf dem Phoenix Center gibt es genügend andere Plätze, an denen Ihr Euch treffen könnt. Du musst nicht in die Halle, versprochen."

Ihr 'Na gut' klang beinahe schon enttäuscht darüber, dass sie vor keine Kamera treten durfte. Bevor er sich weitere Gedanken machte, wie er das zwischen den zwei Matches bewältigen sollte, wandte er sich zum gehen.

Grizz: "Frühstück ist übri..."

Mel: "Liebst Du sie eigentlich?"

Er blieb abrupt stehen. Die kommende Gegenfrage war unnötig.

Grizz: "Wen meinst Du?"

Mel: "Bleed natürlich. Ich schau' mir das schon noch ab und zu an, was Ihr da veranstaltet. Wie Du sie manchmal ansiehst und so... ich weiß ja nicht. Und letzte Nacht hast Du mich dabei auch ein oder zwei Mal Bleed genannt."

Er drehte sich um und beobachtete wortlos, wie sie sich ein T-Shirt überstreifte. Auch wenn ihr Lächeln darauf hindeutete, dass sie das wohl nicht wirklich ernst meinte, konnte er kein Versprechen geben, dass es nicht so gewesen war.

Grizz: "Da musst Du Dich täuschen. Mit... allem. Da ist nichts. Nein."

Überspielte er halb stammelnd. Sie glitt an ihm vorbei und strich sanft über seine Brust. Kichernd legte sie nach.

Mel: "Gut. Ich will Dich nämlich nicht teilen müssen."

Sekundenlang stand er nur da. Erst als ein 'Kommst Du?' aus der Küche ertönte, riss er sich aus seinen düsteren Gedanken. Etwas musste sich ändern.

 

 

 

I came to you as a child, poor and stupid.

I promised myself to you, because I did not know your nature.

I saw the face of the devil.

It is the same as yours.

 

Melissa Jade hatte sich zur vereinbarten Zeit vom Hotel Labibs zum Eingang des Vergnügungsparks begeben. Es sollte ja kein Date werden, daher begnügte sie sich mit einer Jeans und einem weißen Kapuzenpullover. Sie wurde ein wenig nervös, als nicht zuerst Grizz sondern ein junger Mann mit Handheld Kamera auftauchte. Er konnte ihr jedoch glaubwürdig versichern, dass kein rasender Reporter auf Rollschuhen ankommen würde, und er die Kamera erst einschaltet, wenn Grizz Lee einträfe.
Was wenige Augenblicke später dann auch geschah.

L33 hat einen Arm um ihre Hüften gelegt, so dass sie sich nicht an irgendwelchen anderen unwichtigen Ständen aufhalten.

Mel: "He, schieb' doch nicht so."

Er gibt ihr einen beruhigenden Kuss auf den Kopf.

L33: "Du weißt doch, wie das ist. Ein Termin jagt den anderen, und ich habe noch einiges zu erledigen. Wir sind gleich da."

Er lenkt von seinem diabolischen Grinsen mit einem Deuten auf das Riesenrad ab, das sie gleich erreichen werden. Je näher sie kommen, desto deutlicher zeichnen sich die Umrisse zweier Gestalten ab, die dort vor dem offenen Eingang.

In seiner verfilzten Pelzjacke nimmt Tresalem Avelino einen Schluck aus dem dampfenden Styroporbecher. An seinem schwarzen, verflickten Hemd steckt eine kleine Rose. It's a date! Es scheint ein hämischer Unterton in seiner Stimme mitzuschwingen, als er sich den Neuankömmlingen widmet.

Tre: "Well, well, well. Tom Hanks und Meg Ryan haben es auch noch geschafft. Mir wird’s ja schon fast warm um's Herz, müssten sich nicht bereits schon die Mücken Wollmützen überstülpen. Aber zugegeben: nette Location. Schiesst du mir danach auch noch ein Plüschherz am Schiesstand, Romeo?"

Das Apocalypse Girl schiebt die schwarze Kapuze ihres Hoodies in ihr Gesicht. Ihre Augen sehen sehnsuchtsvoll in die Nacht. Niemand weiss wieso – wie bei so vielen Dingen, die in ihrem hübschen Kopf vor sich gehen – aber sie wünscht sich den Winter herbei. Sie hat genug Wärme ertragen. Und vielleicht ist es auch nur, dass eine Welt aus Eis und Schnee eine perfektere Kulisse abgeben würden für das, was heute Nacht noch auf sie wartet.

Doch nun ist auch sie hier. Und so sehr sie unverhohlen die Aufmerksamkeit von L33 schätzt, dessen Nachricht sie auch erst vor kurzem hierher kommen liess, so misstrauisch ist sie in Sachen Melissa Jade. Sie kennt sie überhaupt nicht. Genauso wenig wie das Gefühl, in einem Riesenrad dem Himmel entgegen zu fahren. Es ist keine kindliche Furcht, vielmehr die Ungewissheit, auf was das Ganze überhaupt hinauslaufen soll.

Bleed: "Lee?"

Sie sagt den Namen, ohne ihn am Ende mit englischen Zahlen zu buchstabieren.

Bleed: "Was willst du hier.. was wollen WIR hier?"

Mel kneift die Augen zusammen, als sie die weibliche Person erkennen kann.

Mel: "Was macht sie hier?"

L33: "Well, ich dachte mir, wenn ich schon dabei sein soll, warum dann nicht noch jemand, mit dem ich mich unterhalten kann, während Du und Salem alte Familiengeschichten zum Besten gebt."

Skeptisch blickt sie zu ihm hinauf. Also muss da doch etwas laufen. Er spürt ihren Blick und kontert mit einem Augenrollen.

L33: "Komm' schon, Mel. Elevens Match steht bald an. Das ein oder andere gibt es da vielleicht zu bereden. Das soll aber nicht Deine Sorge sein. Wenn alles gut läuft und Du das möchtest, kannst Du mit Deinem Bruder danach den Rest des Abends verbringen."

Mel nickt stumm. Als sie dann endlich bei den beiden angekommen sind, entlässt er sie aus seiner Umarmung. Die gegenseitige Begrüßung fällt allerdings recht kühl aus. Allzu überrascht scheint Tresalem davon aber nicht zu sein. Theatralisch breitet er die Arme aus und winkt mit den Fingerspitzen seine kleine Schwester herbei.

Tre: "Mel. Baby. Komm schon. Wie haben es schon die grossen Lyriker des 21. Jahrhundert formuliert, ich glaube, sie horchten auf den Namen Black Eyed Peas: Where is the love? Where? Is? The? Looooooove!?"

Ohne ihre eiskalte Miene ein wenig aufzutauen, lässt sich Melissa Jade von Tre umarmen, umwidert seine übertrieben innig ausgeführte Geste aber nicht im geringsten und stösst sich nach wenigen Sekunden wieder ab.

Tre: "Ooooh, darling. Seit wann wäschst du dir die Haare? Steht dir aber ausgezeichnet."

L33 fühlt die Hand von Bleed an seinem rechten Unterarm, als sie sich – fast Schutz suchend – an ihn heranzieht. Ihre Stimme haucht ein Flüstern in sein Ohr.

Bleed: "Erklärst du mir bitte, worauf dieses .. sicherlich reizvolle, aber ungewohnte Vierer-Date hinauslaufen soll?"

Lächelnd neigt er den Kopf zur Seite, während er die Geschwister betrachtet. Was nicht zum Klang seiner Worte passt.

L33: "Don't worry. Die Hauptrolle gehört Dir."

Bevor das Apocalypse Girl etwas erwidern kann, klatscht der Grizzer in die Hände und bittet die drei mit einer einladenden Geste in die nächstgelegene Gondel. Kreisrund ist sie, ohne Außenwand und Fenster, um den Ausblick unverfälscht genießen zu können. Schließlich braucht man hier nicht unbedingt etwas, das die Ausmaße des Praters hätte, doch für vier Menschen bietet sie mehr als genug Platz. Kaum hat er Platz genommen, zieht Tre eine Tüte aus seiner Innentasche und bietet sie der Gruppe zum Reingreifen an.

Tre: "Lammkaramellbonbon anyone?"

Die Reaktionen fallen eher verhalten aus.

Tre: "Traditionelle mongolische Küche. Geräuchertes Lamm ummantelt von... ach, was soll's. Wie kommt es eigentlich, dass wir die einzigen auf dem Rad sind? Du hast doch wegen uns keine Kinder in den Keller gesperrt?"

Avelino gesellt sich neben Melissa, während er die Frage stellt. Bleed bevorzugt hingegen einen Platz gegenüber. Mit einem Lächeln tippt ihre Hand auffordernd auf den freien Platz neben sich.

L33: "Geld, Salem. Ich habe dem jungen Mann, der das Teil für uns anwirft, ein wenig die Brieftasche erschwert."

Er zeigt auf das kleine Häuschen, in dem ihm jemand zögerlich einen erhobenen Daumen präsentiert. War es wirklich Geld? Oder die Bedrohung, die von der weißen Gestalt ausgeht, die wie ein riesiges Gespenst einige Meter entfernt auf seinen Einsatz lauert, aber sonst von Niemandem wahrgenommen wird.
L33 reckt ebenfalls einen Daumen, worauf sich das Riesenrad in Bewegung setzt. Unbeleuchtet. Nur der Mond bricht dann und wann mal durch die Wolken.

L33: "Die Kamera kommt ebenfalls nicht mit. Wir sind also unter uns. Wie schön."

Auch er nimmt neben Mel Platz, was Bleed isoliert erscheinen lässt. Enttäuschung wühlt im Apocalypse Girl, doch sie gibt ihr Bestes, um es sich nicht anmerken zu lassen. Ihr Blick gleitet durch die Nacht und ihre Gedanken in Richtung der Ungewissheit, die sie noch immer umklammert hält.

Überraschenderweise ist es Melissa Jade, offenbar angesteckt von der guten Laune der Männer, die das kurzzeitige Schweigen bricht und Tre sanft gegen den Oberarm boxt.

Mel: "Du bist ein Arsch, weißt Du das? Spätestens nach Deinem ersten Erscheinen hier hättest Du Dich mal melden können."

Von dem Vorwurf unbeeindruckt kaut Tre mit ausladender Ausführlichkeit an seinem Bonbon, während sein Blick aus der Gondel schweift. Mel will schon fast zu einer weiteren Giftspritze ansetzen, als dieser doch noch zu Worten findet.

Tre: "Mel, Süsse. Du kennst mich doch. Ich bin nicht der Typ für Weihnachtskarten, und plötzlich willst du mit mir gemeinsam den Thanksgivingtruthahn anschneiden?"

Mel: "Gewiss nicht. Aber ein kleines verdammtes Lebenszeichen nach einer verdammten kleinen Ewigkeit wäre, nun ja, zumindest eine Geste gewesen."

Mit einem bitteren Grinsen legt Tre den Arm um seine Schwester.

Tre: "Und dann was? Werden wir die neuen Kardashians? Ich bin nicht hierher gekommen, um den Staub von alten Familiendecken abzuklopfen. Mel, diese Sentimentalitäten stehen uns nicht gut. Und überhaupt, ich kann mich nicht erinnern, dich damals bei meiner Beerdigung gesehen zu haben. Oder bei meiner Auferstehung. Oder als mir zwei Dollar für die Parkuhr gefehlt haben. Also waschen wir vergangene Versagen von uns und blicken voraus. Oder nach unten."

Mel: "Voraus? Und was siehst du dort?"

Avelino steckt sich ein weiteres Bonbon in den Mund und zuckt die Schultern.

Tre: "Ein ruhiges Leben voller Glück."

Da muss selbst Melissa Jade ungläubig auflachen. Tre dagegen schaut mit ungerührtem Ernst in die Ferne.

Tre: "Wenn ich dich so ansehe, dann ist es, als würde ich durch ein Fenster in mein altes Leben blicken. Und...das habe ich nicht umsonst zurückgelassen. Und jetzt sitzt du hier, mit einem Koffer voller Vorwürfe und einem Rucksack schlechter Erinnerungen. Aber ich bin nicht bereit, diese Reise zurück in die Vergangenheit zu machen. Deshalb...vermeide es doch wenigstens, alte Geschichten aufzuwärmen, die ich doch nur ausspucken will."

Mit einem stillen Nicken scheint Mel dieser Bitte nachzukommen.

Möglicherweise... sofern ER will... wird dieses Gespräch fortgesetzt. Irgendwann. Irgendwo.

Als die Gondel den höchsten Punkt des Riesenrads erreicht hat, stoppt das Konstrukt mit einem Ruck.

L33: "Here we are."

Er erhebt sich, gleicht die Bewegung, die das abrupte Abstoppen bedingt, mit Leichtigkeit aus.

L33: "Bleed.."

Lächelnd wendet er sich zum Apocalypse Girl und reckt ihr eine Hand entgegen.

L33: "Bitte, nimm meine Hand."

Avelinos Augen weiten sich, die geballten Fäuste wedelt er aufgeregt, wie ein fettes Kind, an dessen Geburtstagsparty gerade der Kuchen ins Zimmer getragen wird.

Tre: "OH SHIT. Deshalb der ganze Zirkus!? Du steckst Bleed einen Ring an? OH SHIT, ich muss das filmen und auf den N&B-Instagram-Account hochladen. Hashtag: BledWedding! Kriegen Onkel Eleven und ich den Nachwuchs dann immer, wenn ihr euch einen entspannten Abend machen wollt? OH SHIT! Ich muss auf Etsy Babystrampler mit Blutspritzern suchen."

Ein Schmunzeln stiehlt sich in Bleed’s Gesicht, sie legt den Kopf schräg und schaut amüsiert zum OneManEvangelium. Dann gleitet ihr Blick zurück zu L33. Ihre Augen funkeln vor Spannung und Erwartung, als sie ihm ihre Hand reicht.
Lees freie Hand greift an das eiserne Geländer der Gondel.

L33: "Bitte steh' auf. Und steig' auf das Geländer."

Ihr Lächeln erlischt.
Meint er das ernst? Plötzlich spürt sie die Kühle der Nacht noch intensiver, den Wind in ihren Haaren. Die Stimmung in der Gondel verwandelt sich plötzlich von entspannter Ausgelassenheit zu Spannung, die man förmlich mit den Händen greifen kann.
Im zwielichtigen Mondschein ist sein Gesicht kaum zu erkennen. Für einen Augenblick glaubt sie, ein Aufblitzen in seinen Augen zu erkennen. Die Stimme bleibt allerdings ruhig wie zuvor. Der Griff um ihre Hand aber.. er schmerzt, als er den Druck verstärkt. Sie muss aufstehen, sie hat keine Wahl.

L33: "Auf das Geländer! Glaub' mir, es wird nichts Schlimmes passieren."

Sie fühlt seine Hand. Und ihr Blick vergewissert sich noch einmal in seinen Augen, dass ihr nichts Schlimmes drohen würde. Bleed streicht eine Strähne hinter das linke Ohr, dann richtet sie sich auf. Ein Blick in die Nacht. Und noch immer fallen keine Schneeflocken. Doch vielleicht bedarf es einer Geste wie dieser hier, um alles zu ändern.

Vorsichtig stellt sie die Sohle ihrer linken, dunkelroten Dockers auf das Geländer. Sie öffnet ihren Mund, atmet tief durch. Mit Hilfe der Hand von L33 richtet sie sich langsam auf.

Das Apocalypse Girl steht auf dem Geländer der Gondel. Wie ein schwarzer Engel an der Spitze einer Galeere. Der Wind spielt mit ihren blutroten Strähnen.

Melissa Jade hat schon viel miterlebt. In diesem Moment kann sie aber nicht anders, als eine Hand vor ihren Mund zu halten... und Grizz Lee einen beschwichtigenden Blick zu schenken. Avelino dagegen verfolgt die Show entspannt zurückgelehnt.

Tre: "Kein Grund für ein O-Face, Schwester. Die Zwei hier werden das schon nicht in ein Nicolas-Sparks-Drama verwandeln."

So stehen sie da. Bleed auf dem Geländer der Gondel. Grizz Lee hält mittlerweile beide ihrer Hände. Nur eine Bewegung.. nur ein Stoß.. und sie würde nicht mehr sein.

Bleed: "Was willst du mir zeigen, was ich noch nicht gesehen habe.. was willst du mir beweisen, was ich nicht längst schon weiss?"

Ihre süsse Stimme wird vom Wind verschluckt und davon getragen. In die Nacht hinein. Es ist fast so, als würde sie mit der Dunkelheit sprechen, anstatt mit L33.

Sein Blick gleitet in die Ferne, an ihr vorbei.

L33: "Ich bin bereit, alles zu vergessen. Dass Du die treibende Kraft hinter Dalm1 warst, die ihn dazu gebracht hat, mir die Cryption Crown zu entreißen."

Leicht genervt dreht sich der Kopf des Apocalypse Girl herum und ihr Blick zu L33 ist sehnsüchtig und entwaffnend zugleich.

Bleed: ".. was ich nicht habe. Glaub’ mir das doch endlich.."

Er schaut ihr in die schwarzen Augen.

L33: "Glaub' mir, Bleed, ich kenne Dich. Aber vertraust Du mir auch?"

Bleed: "Was spielt das JETZT für eine Rolle, L33? Du kennst die Bedeutung SEINES Kampfes gegen Rage. Und ich kenne sie noch viel mehr als du.. ich weiss, was kommen wird. Und deshalb muss ich bei ihm sein.."

Grizz L33 atmet die frische Luft ein, die ihn hier oben empfängt. Er schaut zu Mel, zwinkert ihr zu. Es wird heute abend enden. Period.

L33: "Nein. Eleven hat in den letzten Wochen genug von mir gelernt, er kann Rage im Ring besiegen. Er braucht Dich nicht."

Für einen Moment schließt er die Augen.

L33: "Du hast meine Frage nicht beantwortet. Vertraust Du mir? Oder ist dieses.. Händchenhalten mit Dalm1 mehr wert.. als ich?"

Sie schliesst die Augen. Natürlich hat er es gesehen. Warum auch nicht?
Hat sie nicht sogar gewollt, dass er es sieht? War Dalm1 nicht dort, wo L33 es nicht war?
Bedingungslos an ihrer Seite.

Bleed: "Oh.. okay. Wenn du dafür eine Entschuldigung willst, dann.."

L33: "SHUT UP!"

Ein noch nie da gewesener, hasserfüllter Blick legt sich über das Antlitz des Grizzman. Im nächsten Moment beherrscht er sich wieder.

L33: "Wenn Du mir vertraust, Bleed, dann spring!"

Bleed: "Whiskey. Tango. Foxtrot!?"

Sie schaut in die Nacht. In die Tiefe. Spürt das harte Geländer durch die Sohlen ihrer Dockers, fühlt den Wind, der an ihr schmeichelnd zerrt und sie überreden will.

Hart zieht er sie zu sich heran. Niemand würde bezweifeln, dass er sie in die Tiefe stoßen würde.

L33: "Du springst, Bleed. Und wenn Du mir vertraust, dann wird Dir nichts geschehen. Bitte, zwing' mich nicht dazu, es auf die andere Art zu lösen."

Bleed: "Mir wird nichts geschehen? Es sind fünfzig Meter, L33. Fünfzig verdammte Meter zwischen mir und der Ewigkeit.."

Abermals zieht er sie zu sich heran. Zumindest ein Stück weit. Gerade so, dass er seinen Mund an ihr Ohr führen kann.

L33: "Du willst das alles, was wir gemeinsam aufgebaut haben, nicht in Flammen aufgehen sehen, right? Du willst Deinen Dalm1, Deinen Boy L33, Du willst.. IHN. Du willst das alles nicht zerstören, das weiß ich. Aber wenn du das alles wirklich liebst, wenn wir das überhaupt Liebe nennen können, dann.. spring. Trust me.."

Sie schaut in seine Augen.
Sie will ihm sagen, wem ihre ‚Liebe’ gehört. Es ihm ins Angesicht schreien. Es mit den spitzen Fingernägeln in seine Stirn ritzen und danach das süsse Blut bestätigend ablecken. Sie schaut ihn an, ein Lächeln stiehlt sich in ihre Züge. Geboren aus dem Innersten ihrer Seele.
Ihr Geist flüstert drei Worte in ihren Verstand.

Für Nicotine & Bacteria.

Dann dreht sie sich um, schaut in die Nacht.
Das Apocalypse Girl breitet die Arme aus und lässt sich – fast wie in Zeitlupe – von der Gondel fallen.
Wie ein Schatten verschwindet sie in der Dunkelheit unter ihnen.

Der entsetzte Schrei von MJ wird schnell von Tres Hand gedämpft. Ungewöhnlich fürsorglich drückt er seine Schwester an sich und zischt ihr ins Ohr.

Tre: "Pssst, Süsse. Psst. Lass die verrückten Kinder ihr Ding machen. Keine Bange. Keine Sorge. Keine Panik. Denke an Ponys...und...solchen Scheiss. Du solltest es doch mittlerweile von unserem Schlag gewohnt sein: Es gibt Tage, an denen stürzen wir uns in den Tod. Und es gibt Tage, da kommen wir wieder zurück. Einfach...so."

Als wäre nichts geschehen, nimmt L33 wieder Platz und streicht ihr lächelnd durch die Haare.

L33: "Und wir beide müssen uns nun nicht mehr darüber unterhälten, wer wen liebt."

Die Fahrt nach unten verläuft schweigsam.

Als sie aus der Gondel steigen, richtet sich die Kamera sofort wieder auf sie. Doch schon einen Moment später rast eine riesige Hand auf die Linse zu und beendet die Szene. Nicht zum letzten Mal am heutigen Abend.

 

Mike Garland: "Tja, da haben wir also gesehen wie Grizz, Tre und Bleed Riesenrad fahren."

Vincent Craven: "Die haben in der Gondel bestimmt irgendeinen geheimen Plan ausgeheckt. Aber apropos Bleed, ich habe sie in der letzten Einstellung gar nicht gesehen."

Mike Garland: "Die war bestimmt da, das Bild war ja ziemlich schnell weg. Wie hätte sie sonst aus der Gondel kommen sollen, etwa springen?"

Vincent Craven: "Hm, unwahrscheinlich, da hast du Recht."