Scene

Id
2393  
Name
Rebel Territory  
Summary
 
Position
2  
Scenetype
Live  
Created At
2015-08-07 13:42:10  
Edited At
2015-11-08 15:24:03  
Show
Vendetta 112  


Vendetta 111

"RAGE!"

Als Eleven von L33 zurück gedrängt wird, lösen sich die Schreie wie von allein, geboren aus dem alles vernichtenden Blick aus seinen totschwarzen Augen, die jegliche Seele vermissen lassen. Es ist kein überkippender Schrei der blinden Wut, kein Ausdruck von ungebändigtem Zorn.

Es ist eher wie bei einem hungrigen Raubtier, vor dem das Gitter heruntergelassen wurde, das es vom verlockenden, blutigen Klumpen Fleisch trennt.

"RAGE!"

 

 

Der Kugelschreiber pocht auf die Papiere. Überlaut, rhythmisch. Ein kleiner Trommelwirbel, der wie ein Soundtrack die Spannung in diesem Raum untermalt. Fast überlaut überdröhnt das Klopfen des Schreibgeräts die schweigende Anspannung im Konferenzraum, in dem sich eine illustre Gesellschaft versammelt hat. Man beobachtet sich, man sucht in den Augen des Anderen. Jedem hier ist die Bedeutung dieses Treffens sehr wohl bewusst. Und doch ist man versucht, sich möglichst nicht in die Karten schauen zu lassen.

Jona Vark richtet den Kragen ihrer weissen Sommerbluse, stoppt das Stakkato des Kugelschreibers auf den Papieren vor sich, die mit Zahlen, Namen und handschriftlichen Notizen gefüllt sind. Sie ist, abgesehen von einigen Sicherheitsmännern, die einzige PCWA-Offizielle in diesem Raum, und ihr gebührt – natürlich – die Führung. Gabriel Lucifer ist nicht neben ihr.

Es ist eine kluge Entscheidung, ihn nicht an diesen Tisch zu setzen. Jegliche Eskalation sollte vermieden werden. Und dennoch hat sie auf ihre Sicherheitskräfte nicht verzichtet, die mit finsteren Mienen hinter ihr - in den Ecken des Raumes - verteilt stehen. Knöpfe im Ohr, die Hände angespannt hinter den Rücken zusammengefaltet.

Die Chefin der PCWA hebt die Augenbrauen, betont locker. Geballte Autorität schimmert in ihrem harten Blick.

Jona Vark: "Was ist mit Kriss Dalmi? Verspätet er sich? Sollen wir vielleicht kurz Gebäck holen lassen?"

Der Sarkasmus in ihrer Stimme ist beissend. Und doch verzieht sie keine Miene.

Keine Schwäche preisgeben. Nicht einmal andeuten.
Denn auf der anderen Seite des Tisches - sitzt der Feind.

Eleven hat sich in seinem Stuhl zurückgelehnt. Betont langsam legt er die Füsse in den schweren schwarzen Stiefeln auf die Tischplatte. Die Finger mit den glitzernden Stahlringen wischen fast gelangweilt über sein Gesicht.

E11: "Wir hatten Angst, er würde die Verhandlungen so beginnen, dass er instant über den Tisch springt, Büroklammern in Augäpfel dartet und mit dem Bleistiften nervös zitternde Hände ins Mahagoni tackert. You know.. Dalm1 ist in diesen Tagen.. emotional mit der Brechstange unterwegs. Aber wir sind hier, Jo. Du willst reden. Wir wollen reden."

Er breitet die Arme aus, bevor er in lockerer Sitz-/Liege-Haltung die Hände in den Schoss legt.

E11: "So.. let’s talk."

Grizz L33, in seinem Shirt und bequemen Shorts, hat sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und zwinkert der Chefin zu.

L33: "Darin haben wir beide ja schon Erfahrung."

Eindeutige Anspielung auf das Gespräch nach Vendetta 110, das zwar nicht öffentlich zu sehen gewesen war, das Hereinfallen auf seine Lügen ihr aber natürlich noch in guter Erinnerung ist. Der Blick von Jona Vark trifft kurz auf den von L33. Er ist hart, missbilligend. Ein angedeutetes Kopfschütteln von der Chefin der PCWA für den Mann, der längst auf Augenhöhe mit Eleven agiert und ohne Zweifel als treibende Kraft der Nicotine & Bacteria angesehen werden darf.

Jona seufzt kurz auf, dann deutet sie mit ihrem Kugelschreiber auf das seitliche Ende des Tisches. Dabei löst sie jedoch nicht den Blick von Eleven und L33.

Jona Vark: "Und was genau soll ER hier?"

Die unverholen vorgetragene Abschätzung scheint Tresalem Avelino nicht zu tangieren. Vor ihm ausgebreitet sind ein kleiner Karton Kokosnussmilch, Shrimpchips und eine angeschälte Orange. Seine ganze Aufmerksamkeit ruht jedoch auf dem Stück Papier, das er zwischen seinen Fingern dreht und faltet und formt. Ohne davon aufzusehen gibt er gleich selber Antwort.

Tre: "Danke, nein, ich habe meinen eigenen Kugelschreiber mitgebracht. Und bitte, mich braucht hier keiner mehr weiter zu beachten. Ich sitze hier nur, weil ich schon alle Folgen von 'Cupcake Wars' durch habe und jetzt ein bisschen Fliege an der Wand spiele. Ich will mir das doch nicht entgehen lassen, wenn die Parteien hier gleich demnächst mit vorgehaltenen Rasenmäherklingen aufeinander losgehen. Vielleicht lade ich davon sogar ein Video auf YouTube hoch."

Jona Vark schüttelt den Kopf. Dann wendet sie sich ihren Notizen zu. No play, all business.
Mit klarer Stimme zitiert sie von ihrem Blatt.

Jona Vark: "’Ihr seid versklavt in Berlin, während das Imperium aus Manchester eure Positionen bestimmt, über eure Schecks verhandelt und euch bereitwillig durch die Laybrinthe der PCWA lenkt.. IHR solltet sie lenken.. WIR ALLE sollten sie lenken.’"

Die Blicke der Chefin und der dunklen Gestalt aus den Untiefen der PCWA treffen sich.

Jona Vark: "Ihren Worten nach sind Sie hergekommen, um sich gegen Vark Enterprises zu stellen. Habe ich das – zwischen den ganzen verschwurbelten Nebensätzen – richtig herausgelesen?"

Eleven zieht fast beiläufig eine halbzerknüllte Schachtel Kippen heraus. Eine Zigarette wird in den Mundwinkel geschoben, dazu ein fast unhörbares leises Lachen.

E11: "Sich 'gegen zu stellen’.. das ist der Vark-Akzent, right? Das klingt nach einer aufgebauschten Preview für das nächste belanglose Event unter dem Phönix-Banner. Es klingt nach präzise ausgerichtetem Scheinwerferlicht und Platzanweisungen für die gebotoxten Bitches mit den VIP-Tickets.. Es klingt nach beschissen geschriebenen Drehbüchern für Vince und den traurig-unlustigen ‚Pointen’ von Mikey Garland. Es klingt wie das unwillige Durchforsten von Monatsbilanzen und Marktwertberechnungen. Du kannst den Reissverschluss deines Business-Skirts ruhig etwas nach oben fahren. Trau’ dich, Jo. Das K-Wort klingt aus deinem Mund sicher.. sexayy.."

Sie verzieht das Gesicht, ein fast lockerndes Lächeln erscheint dort.

Jona Vark: "Komödie? Sicherlich treffend, denn ehrlich – ich habe lang nicht mehr so sehr gelacht wie über diese leeren Drohungen."

L33: "Sie können gut schauspielern, Miss Vark. Schließlich durfte jeder mitverfolgen, was wir hier bislang schon alles, nun, geleistet haben. Aber das ist okay, lachen wir ein wenig. Über Azrael Rage und seine eilig zusammengeklöppelte Truppe, über den Witz, der mein nächster Turniergegner ist. Lachen wir alle zusammen, die netten Herren machen bestimmt auch mit."

Schwungvoll erhebt er sich von seinem Platz. Die Securities wollen schon in Angriffsstellung übergehen, doch der Viertelfinalist hebt beschwichtigend die Hände. Er möchte sich lediglich auf die Lehne stützen. Möglicherweise auch, um sich ein wenig von seinen Mitstreitern abzuheben.

Das Feuerzeug klickt. Eleven zieht an seiner Zigarette, legt den Kopf weit in den Nacken und lässt den Qualm zur Decke steigen.

E11: "Come on.. Jo. Es steht inzwischen als hässliches Tribal-Tattoo auf Azrael’s Stirn gestochen. Krieg, Baby. Jedes Wort war für dich.. jeder Satz eine Botschaft.. und jedes Ausrufezeichen ein Versprechen. Ich bin nicht hier, um die Kaffeeflecken von deinen Pumps zu lecken und um Erlösung zu betteln wie J-Kwa. Ich bin nicht hier, um wie Breads mit gespielten Tränen mein drohendes Scheitern zu beweinen, damit ich ein wohltuendes Schulterklopfen und ein Kantinenessen umsonst bekomme. Das ist keine Verhandlung, honey. Das ist unsere Seite. Und du fummelst in deinen Papieren auf der Suche nach deiner. Du und deine Firma.. dieser Hedgefond aus Elendsverwaltern und Finanzfotzen.. gehört beseitigt. Geknebelt, gespanked und dann vom Hof gejagt. Denn.. newsflash, bitch.. Ihr seid nicht die Lösung. Ihr seid der Dorn im Harnleiter eines Schwanzes, der lange nicht mehr gefickt hat.. der Nagel im Zahnfleisch eines Mauls, das beissen und fressen will. L33 und ich sind da in zwei verschiedenen Welten unterwegs. That’s the funny thing. Er gibt einen Scheiss drauf, ob wir dich mitsamt deines Bürokomplexes aus der Phönixfestung bomben. The devil you know.. and shit. Das ist die Gefahr, der du dir wirklich bewusst sein solltest, Barbie. Diese zwei Fronten, die um dich herumgeistern wie hungrige Hyänen vor frisch gerissenem Wild. Ideologie und Pragmatik. Klaffende Lücken, die andere ‚Gruppierungen’ implodieren lassen würden. Doch eint uns am Ende das, was ihr am meisten fürchtet. Wir wollen frei sein.. selbstbestimmte Regeln statt Anweisungen vom Karnevalsverein Manchester.. Wir werden die Ketten des gewaltigen, wütend um sich schlagenden Phönix sprengen, den ihr an die Erde gefesselt habt, damit ihr ihn kontrollieren und füttern könnt, ohne dass euch die Hände abfallen. Eure Idealvorstellung ist eine schwarze Null am Ende des Jahres. Unsere .. eine freie, grenzenlose und siegreiche Existenz in dieser Fabrik..."

Jona lehnt sich zurück. Ein Blick in die Augen ihres Gegenübers reicht, um sie von der Ernsthaftigkeit seiner Kampfansage zu überzeugen. Wieder schüttelt sie den Kopf, doch diesmal weitaus weniger belustigt als vorher.

Jona Vark: "Keine Ahnung, in welcher Welt Sie leben, Eleven... aber haben Sie eine Ahnung, wo die PCWA ohne Vark Enterprises wäre. Nicht mehr existent. Wir haben die PCWA gerettet... Ich bin mir bewusst... sie sind klein klassischer Wrestler, Sie sind der Einzelgänger, nicht wahr? Den Ring meidend und in seiner eigenen kranken Welt lebend. Schön. Aber so naiv können selbst Sie nicht sein. Wer stellt das Schlachtfeld auf, in dem Grizz Lee glänzen darf? In welchem Gebäude ist der Keller, ihr ‚Zuhause’? Sehen Sie nicht diesen schreienden Widerspruch? Verdammt, sie LEBEN in der PCWA!"

Das Papierstück zwischen Tresalems Finger nimmt langsam Form an: Ein Körper, ein Kopf, vier Beine. Zufrieden betrachtet er sich den Zwischenstand seiner Arbeit.

Tre: "Yeah, well, welcome to parenthood. Man schenkt dem tapsigen Welpen ein Zuhause, bereitet ihm das weichste Körbchen, schleppt das teuerste Futter an und in ein paar Wochen ist aus ihm ein ausgewachsener Köter geworden, der kein Bein unbepinkelt und keine Hand ungebissen lässt. So ist der Lauf der Dinge, Vark. Wir sind Chris Pratt. Wir sitzen nicht mehr im Grünanlagenbüro von Pawney. Wir sind jetzt gross genug, um Dinosaurier im Jurassic Park zu jagen."

Zum ersten Mal blickt Tre von seiner Bastelei auf und schaut in die fragenden Gesichter.

Tre: "Niemand? Niemand hier, der 'Parks & Recreation' gesehen hat?"

Seufzend widmet er sich wieder seiner filigranen Beschäftigung.

E11: "Die Sache, die du nicht verstehst, Jo.. ist folgende: Das hier ist keine Symbiose. Wir sind nicht die Putzerfische, die an deinem Arsch klebend von dir durch das Riff transportiert werden und als Dank die Muschelreste von deinen Kiemen kauen dürfen. Wir sind Bacteria. Und das alles hier.. ist nichts weiter als unser Wirt."

Jona schluckt das alles ohne mit der Wimper zu zucken. Natürlich ist das keine gewöhnliche Verhandlung. Nie zuvor hat sie etwas ähnliches erlebt. Hier geht es nicht um Zahlen auf einem Vertragspapier. Hier geht es um nackten, kalten Widerstand.

Sie sucht den Blickkontakt zu L33, der ihr plötzlich wie jemand vorkommt, der noch am sinnvollsten die Pragmatik in den Raum zurückbringen kann.

Jona Vark: "Mister Lee, Sie sind ebenfalls Angestellter der PCWA. Sie sind WRESTLER in der PCWA. Erzählen Sie mir nicht, dass Sie diesen Anarchie-Unsinn ernsthaft unterstützen."

Er schürzt die Lippen und nickt. Zustimmung oder Verneinung?

L33: "In erster Linie schaue ich auf mich selbst. Und dafür ist genügend Platz bei uns. Platz für alle und für alle Ansichten, und dennoch kann man uns nicht auseinanderdividieren. Qualität setzt sich durch, Nicotine & Bacteria haben diese Qualität, nicht zuletzt in mir. Vielleicht wäre es schwerer, wenn mir nicht Sie sondern der nette Onkel im Bademantel gegenübersitzen würde, aber das soll mir nur Recht sein. Sie sind gewiss leichter zu manipulieren, und das habe ich getan. Das ist die Art von Freiheit, um die mich andere beneiden und die sollte Jeder einmal erlebt haben."

Jona Vark: "Erzählen Sie mir doch nichts von Freiheit, verdammt! Sie sind ein verfluchter Lügner!"

Gespielt unschuldig hebt er abwehrend die Hände.

L33: "Ich habe Ihnen gesagt, dass ich keine Versprechungen machen kann. Kriss Dalmi und alle anderen haben aus freien Stücken gehandelt."

Jona Vark: "Das ändert nichts an der Tatsache, dass das Match gegen Azrael Rage eine Farce war. Und ich glaube Ihnen kein Wort, wenn Sie mir noch immer weismachen wollen, dass es 'nur ein Match' gewesen sein soll. Aber bitte, wie Sie wollen, ich kann auch andere Saiten aufziehen. Sollte sich Jemand zu Ihren Gunsten in eines Ihrer kommenden Turnier-Matches einmischen, wird das Konsequenzen haben. Und zwar weitreichende. Das muss nicht mit der sofortigen Disqualifikation enden, das kann zu einem Ausschluß bis hin zu einer Suspendierung führen."

Das hat gesessen. Sein langsames Nicken bedeutet nun, dass er verstanden hat. Und alle anderen hoffentlich auch. Er kann es nicht riskieren, auf so eine billige Art und Weise seinen Traum vom großen Gold zu begraben. Und wenn er Dalmi dafür zur Not an ein Heizungsrohr ketten muss.

Jona Vark schliesst den Ordner vor sich. Ein Kopfschütteln mit einem Blick in die Runde.

Jona Vark: "Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe mir geschworen, das zu tun, was das Beste für die PCWA ist. Immer. An erster Stelle steht immer diese Liga, mir geht es nicht um Eitelkeiten oder dem Umsetzen einer persönlichen Vendetta, wie bei Ihnen! Und wenn Sie meinen, dass Nicotine & Bacteria..."

Sie schaut entschlossen zu Eleven.

Jona Vark: "...oder Teile Ihrer 'Bewegung' das tragende Element in Form von VARK ENTERPRISES zerstören wollen, dann werde ich auch dahingend entschlossen handeln. Da ist dann irgendwann ein Punkt, wo ich keine Unterschiede machen werde. Nicht bei Ihnen, Eleven. Und nicht bei Kriss Dalmi. Und auch nicht bei Ihnen, Grizz Lee. Egal, ob Sie die Ansichten Elevens unterstützen oder nicht. Sollte Nicotine & Bacteria das Gemeinwohl der PCWA gefährden, dann sitze ICH am längeren Hebel. Und der reicht auch bis in den Keller. Das sage ich in aller Deutlichkeit: Was sollte mich bitte davon abhalten, Sie allesamt einfach zu entlassen?!"

Tre: "Ooh, Jungs, streicht euch die Haare glatt. Jetzt müssen wir uns die Eselskappe überziehen und zum Schämen in die Ecke stellen. Die Lady führt ihren Laden wie eine vierte Klasse im Handarbeitsunterricht."

Fast wütend fährt Jona Vark in Richtung Tresalem herum. Mit einer Mischung aus Vewirrung und Unverständnis funkelt sie das One Man Evangelium an.

Jona Vark: "Jetzt ernsthaft. Welche Rolle spielen Sie hier eigentlich nochmal?!"

Geduldig stellt Tre sein Papiertierchen zur Seite, verdrückt einen Shrimpchip und spült ihn mit einem Schluck Kokosnussmilch hinab. Nachdem er sich dafür aufreizend viel Zeit genommen hat, wischt er sich den Mund ab und widmet sich Jona Vark.

Tre: "Ich bin der frisch frisierte Gandalf dieser tapferen Truppe. Der Mann im langen Umhang und den guten Ratschlägen. Der Schoss, auf den sich die Kinder setzen, wenn sie ein Bonbon und weise Worte hören wollen. Ich mag zwar nicht zur geschundenen Protagonistentruppe gehören, die sich hier Woche um Woche, Level für Level, hochkämpft, aber ich bin das gelungene Cameo, das irgendwann kurz aufploppt und alle sagen lässt 'Hey, ist das nicht..? Den haben wir schon lange nicht mehr gesehen..!' Also...um es ganz einfach zu fassen: Ich bin der Bill Murray in diesem 'Ghostbusters'-Remake."

Es folgt ein weiterer Schluck aus dem Milchkarton, bevor er diesen zusammenquetscht.

Tre: "And who you gonna call, wenn die versammelte Bürokavallerie herbei galoppiert und mit Kündigung droht? Die gefürchteste Kraft im Universum: ein Anwalt ohne Gewissen. Und drum ziehe ich hiermit mein He-Man-Schwert und beschwöre einen alten Kumpel aus vergangenen Tagen herbei. Er hat schon so einige Formulare für Eleven und mich ausgefüllt."

Tre schlägt zweimal auf den Tisch und wendet sich mit lauter Stimme zur Tür.

Tre: "CORSO, BABY! MACH' DEIN DING!"

Es erscheint ein überaus gepflegter Mann, wohl Mitte Vierzig, aber dieses L.A.-Vierzig, das eigentlich wie Mitte Dreissig aussieht. Das schwarz-braune Haar ist zu einem wimpenden Scheitel frisiert, der dunkelblaue Anzug, Dreiteiler, wird durch eine flamboyant gemusterte Kravatte und Einstecktuch komplettiert. Auffällig ist eine schwarze Kette, von der ein seltsam geformter Anhänger baumelt und von Corsos Hals bis auf seine Brust reicht. Er wuchtet seinen Koffer auf den Tisch, verschränkt die Hände und nickt den Anwesenden mit eisernem Blick zu.

Clovis Corso: "Die Dame, die Herren: Clovis Corso, Esq.. Ich bin hier, um die Interessen meiner Mandaten Nicotine & Bacteria zu vertreten."

Jona Vark schaut die Gestalt am anderen Ende des Tisches mit grossen Augen von oben bis unten an. In ihrem Blick steht der Unglaube. Haben die jetzt schon Anwälte?

Clovis Corso: "Wie von meinen Mandaten bereits vermutet, sehen Sie sich offenbar in einem Akt der Verzweiflung dazu genötigt, sie kollektiv vor die Tür zu setzen. Ein Vorgehen, das kurz-, mittel- und langfristig nur Verlierer hervorbringen kann. Wir haben jedoch einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, durch den sich die Situation im Interesse Aller auflösen kann."

Die Chefin der PCWA lehnt sich interessiert, aber nicht gerade euphorisch zurück.

Jona Vark: "Einen Gegenvorschlag... okay, ich höre?"

Clovis Corso: "Punkt 1: Vark Enterprises verzichtet auf die Kündigung. Wir sind uns bewusst, dass die Umstände mittlerweile so weit eskaliert sind, dass sich alle Differenzen zwischen den Parteien nicht vollends harmonisch beilegen lassen. Eine Kündigung kommt aber absolut nicht in Frage."

Kopfschütteln bei Jona. Unglaube in ihrem Blick.
Fast spöttisch begleitet sie die Ausführungen von Clovis Corso.

Jona Vark: "Und nun? Das soll ein ‚Gegenvorschlag’ sein? Kann ich sonst noch irgendetwas tun, um Ihren Mandanten das Leben in der PCWA zu erleichtern?"

Clovis Corso: "Punkt 2. Was ich hier habe, ist ein Vertragsentwurf meines Mandaten Tresalem Avelino. Dieser wird ab sofort als External Creative Consultant von Nicotine & Bacteria eingestellt, hochoffiziell mit monatlichem Gehalt und Bezügen."

Jona kann nicht glauben, was sie da hört.

Jona Vark: "Sie sind völlig realitätsfremd. Einer Ihrer Mandanten erklärt meine Position zum Freiwild und versucht, die Führung der PCWA zu torpedieren. Und anstatt diesen Anarchisten zu kündigen, soll ich noch einen weiteren dieser Verrückten anstellen!?"

Tre: "HEY! Someone's not getting any shrimp chips tonight."

Jona ist aufgestanden. Sie funkelt Clovis Corso an.

Jona Vark: "Je mehr Unsinn ich mir hier anhören muss, desto mehr wächst der Entschluss in mir, Sie einfach alle zu feuern! Ein Exempel zu statuieren, zum Wohle der PCWA und ihrer hart arbeitenden Angestellten. Sie denken, ich wäre schwach und nicht handlungsfähig? Ich werde Ihnen zeigen, wie leicht harte Entscheidungen von der Hand gehen können.. Mr. Corso."

Der fast schon meditativ ausdruckslose Gesichtsausdruck von Corso verrückt auch ab diesen Worten nicht. Mit gewohnt sachlichem Ton fährt er fort.

Clovis Corso: "Ich wiederhole Punkt 1: Eine Kündigung kommt nicht in Frage. Sollten Sie sich trotzdem dafür entscheiden, wären die Folgen für Sie und Ihr Unternehmen fatal."

Clovis Corso nimmt einige weitere Akten aus seinem Koffer und arrangiert sie gewissentlich vor sich aus.

Clovis Corso: "Als Frau von Welt dürften Ihnen die Multimillionen-Dollar-Klagen amerikanischer Staatsbürger bekannt sein, mit denen sich nationale und multinationale Unternehmen ständig konfrontiert sehen. Viele davon sind absolut frivoler Natur, selbstverständlich, doch einige davon kriegen tatsächlich Recht und damit Geldsummen zugesprochen, die einigen Firmen finanziell den Rücken brechen können. Firmen wie der Ihrigen."

Jona schaut verwirrt.

Jona Vark: "Ich verstehe nicht ganz.."

Clovis Corso: "Haben Sie und Ihr Unternehmen in letzter Zeit grundlos irgendwelche Menschen mit körperlicher Behinderung entlassen?"

Stille kehrt ein im Konferenzraum. Es ist eine Stille, die an Spannung nicht zu überbieten ist. Sie ist fühlbar, sie sitzt förmlich festgeschrieben in den Zügen der PCWA-Chefin, der es so langsam dämmert.

Eleven zieht genussvoll an seiner Zigarette. Er liebt diesen Moment.

E11: "Ooops.."

Clovis Corso: "Sie haben vor kurzem Michael Thera entlassen. Einen Mann, der seine Hand verloren hat. Einen Mann mit einer Prothese. Einen Mann mit gültigem Arbeitsvertrag in der PCWA. Einen Amerikaner mit doppelter Staatsbürgerschaft, jemand der Steuern in seinem Heimatland an's IRS zahlt.."

Jona Vark: "Ich habe ihn nicht entlassen. Das war eine Mitarbeiterin.."

Clovis Corso: ".. die unter Ihrer Verantwortung stand."

Jona Vark: "Michael Thera hat mich als Person beleidigt und bedroht.."

Entspannt blättert der Anwalt der Nicotine & Bacteria in seinen Papieren.

Clovis Corso: ".. doch geschah dies nicht am Arbeitsplatz, wie hier steht. Diese Äusserungen, ungerechtfertigt und gesetzwidrig gefilmt von Dritten, geschahen in einem privaten Rahmen. Ich fasse also gern für jemanden wie Sie nochmal zusammen, denn es ist mit Sicherheit so, dass Sie seine privaten Rechte als amerikanischer Staatsbürger, mit all seinen justiziellen Ansprüchen, überhaupt nicht kennen: Verstoss von Vark Enterprises gegen den ADA, den Americans With Disabilities Act von 1990. Absatz 1: Schutz vor Diskriminierung körperlich Versehrter. Kündigungen können lediglich nach schwerwiegenden Verstössen gegen die Interessen des Arbeitgebers am ARBEITSPLATZ erfolgen. Dazu kommen Verstösse gegen den Rehabilitation Act, die Section For Private Citizens With Disabilites und im Zweifelsfall privat erlittene finanzielle Verluste des Geschädigten, die wir jederzeit getrennt vor einem Zivilgericht behandeln können, in denen Mister Thera mit gut sichtbarer Prothese und seinem kleinen Jungen auf dem Schoss sitzt und wir die Geschichte der bösen Firma erzählen dürfen. Stories, die Amerika liebt. Und zu der die Geschworenen nicken, Thera’s Frau ansehen, wenn sie sich die Tränen von der Wange tupft. Und am Ende der Geschichte wird sich jeder der Zwölf schon gedanklich eine Summe zurechtlegen, die dazu führen wird, dass die Weihnachtsfeiern bei Vark Enterprises in den nächsten zwanzig, dreissig Jahren ersatzlos gestrichen werden."

Jona Vark schaut auf die Papiere vor Clovis Corso. Das angeheftete Portraitfoto von Michael Thera. Wut durchfährt ihre Glieder. Sie kaut auf ihrer Unterlippe, zeigt, ganz Profi, keine Schwäche.

Jona Vark: "Damit kommen Sie nicht durch."

Clovis Corso hat sich einen Apfel vom Tisch genommen, poliert ihn mit seiner Krawatte und beisst dann herzhaft und lautstark hinein.

Clovis Corso: "Oh, Miss Vark. Auch wenn Sie mich nicht kennen, so gilt das, was Sie sagten, auch für mich selbst. Auch ich bin ENTSCHLOSSEN zu handeln. Ich bin bereit, auf den roten Knopf zu drücken. Die Frage, auch im Interesse Ihrer Firma, lautet: Sind Sie es auch?"

Eleven drückt seine Zigarette aus.
Dann steht er auf, geht langsam um den Tisch herum, bevor er neben Jona Vark in die Hocke geht, als wolle er mit einem kleinen Kind reden will.

Die Sicherheitskräfte rühren sich. Doch eine Handbewegung von Jona lässt sie in Wartepositionen verharren.

E11: "Here’s how it all ends, Jo.. Niemand wird gefeuert. Tre bekommt seinen Vertrag als.. was war das gleich?"

Eleven schnippt mit den Fingern.

Tre: "External Creative Consultant...? External Creative Consultant!"

E11: "Right.. ihr bezahlt ihm ein seiner Qualifikation angemessenes Gehalt.."

Tre: "Rückwirkend, versteht sich. Für all die gute Arbeit, die ich bis jetzt schon geleistet habe."

E11: "Rückwirkend.. ’f course. Beide Seiten lassen ihre Sprengköpfe wieder in den Metallkoffern verschwinden.. und wir gehen nach Hause.. und wir kommen wieder. Und wir fighten es aus. Bis zum Schluss. Ideologie und Überzeugungen gegen Zielgruppen-Analysen. Anarchische Freiheit gegen Marktgruppenforschung. Zigaretten und Whiskey gegen Champagner und HanniCain-Swimsuit-Kalender. Solange bis einer in Flammen aufgeht, aus der die Asche entspringt, die den echten Phönix gebären wird. Und wenn du fällst, Honey.. dann fällen wir Lucifer, bevor er nackt und euphorisch in deinen Sessel springen kann. Denn am Ende des Tages braucht die Liga keine billige Verwalterin, kein pragmatisches, beeinflussbares Stück Fleisch mit Namensschild und leerem Klemmbrett. Diese Liga braucht jemanden mit Fantasie.. schwarz und blutrot. Jemanden mit Verstand, Intelligenz und fast kindlichem Antrieb zur Gestaltung dieser Welt. Fähig zur Veränderung und zu schmerzhaften Schnitten. Fähig zu urteilen, selbst mir zu widersprechen, gestalterisch und beschwingt wie ein kleines Mädchen beim Christbaumschmücken. Wert eures Hasses und würdig jeglichen Stolzes. Am Ende des Tages braucht diese Fabrik kein antriebsloses, unsicheres Mauerblümchen in einem Bürosessel."

Eleven legt die Hände von hinten auf Jona’s Schultern, gerade so als wolle er sie massieren. Dicht bringt er seinen Mund neben ihr Ohr, so dass fast nur sie sein düsteres Flüstern hören kann.

E11: "Am Ende des Tages.. braucht der Phönix.. eine Königin."

 

Vincent Craven: "Das geht ja gleich gut los. Jona Vark droht Grizz Lee mit Konsequenzen, falls er seine Matches durch Eingriffe und Ablenkungen für sich entscheiden will. Und der kompletten Nicotine & Bacteria sogar mit Entlassung, wenn sie weiter wie gehabt auf ihrem Pfad der Zerstörung wandeln."

Mike Garland: "Tja, aber dann kommt ihr eigener Anwalt und verweist diese Pläne in's Reich der Träume. Da kommen schon wunderliche Gestalten aus dem Keller."

Vincent Craven: "Clovis Corso war anderswo tatsächlich schon in einigen Rollen zu sehen. Auch als Pro-Wrestler, als Weddingplaner, und als, ahm, Darsteller in Erwachsenfilmen."

Mike Garland: "Pornos? Der!? Da seht ihr's Kinder, werdet Pro-Wrestler, dann könnt ihr auch nach der aktiven Ringkarriere noch etwas vernünftiges machen. Ein berufliches Chamäleon sozusagen."

Vincent Craven: "Nun, jedenfalls waren das von beiden Seiten deutliche Ansagen. Für das Match gegen Sharpe könnte das eine kleine Wendung bedeuten. Moranes und Rage war Lee unterlegen, wenn auch nur durch Disqualifikation, aber ein Sieg ist ein Sieg. Beim Imperial Impact hat er die Cryption Crown verloren."

Mike Garland: "Aber wenn es darauf ankommt, wie gegen Dalmi, gewinnt er. Ohne Eingriffe. Wir werden auch abwarten müssen, wie sicher Eleven davon ausgehen kann, die Königin der PCWA beeinflußen zu können."

Vincent Craven: "Denkst du, er meinte damit wirklich Miss Vark?"

Mike Garland: "Ich bitte dich, Bleed in einem Business-Kleidchen? Passt nicht. Und dieser Avelino hat nun auch seine ganz eigene Bezeichnung samt Vertrag."

Vincent Craven: "Das grenzte ja eigentlich schon an Erpressung."

Mike Garland: "Sie schien mir keine große Wahl gehabt zu haben. Aber ich bin mir sicher, dass sie nicht darauf eingehen würde, wenn sie sich nicht auch etwas davon verspräche. Gesehen, wie die Sache ausging, haben wir ohnehin nicht. Bleibt also Raum für Spekulationen."



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