Kein ungewohntes Bild - Jona Vark in ihrem Büro. Die Türe nur angelehnt, davor ein Raum mit ihrer Sekretärin, Madeleine Grimm. Die Sicherheitskräfte nur einen Knopfdruck entfernt, genau wie zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen. Man weiß ja nie, was passiert. Wer explodiert.

Vor zwölf Monaten hatte Jona Vark noch nicht solche Vorkehrungen getroffen, doch inzwischen hat sie zu viel gesehen. Die Türe steht immer noch für alle Mitarbeiter offen, außer vielleicht für einen gewissen Oberteufel. Aber man kann nie vorsichtig genug sein. Soviel hatte sie immerhin schon gelernt.

Durch eine kurze Mitteilung über die Telefonanlage hat ihre Sekretärin ihr mitgeteilt, dass ein alter Bekannter um eine "Audienz" bittet, wie er es selbst gesagt hat. Eigentlich hatte Jona Vark keine Zeit für solche Spielchen, allerdings wusste sie, dass sie in diesem Spiel ihren Gegner beherrschen würde. Denn aus dem einflussreichen Mann ist eine Witzfigur geworden, den man gut vorführen konnte. Und das Publikum würde sie dafür noch feiern, weil er das Gesicht des Untergangs der Briefkastenfirma geworden ist. Die Rede ist natürlich von Noah O'Wellhubly. Sprachrohr von Kerry & Gaelic. Mittlerweile bei den Berlin Wrestling Heroes unterwegs und hat sich dort erneut einen Clan um sich herumgescharrt, mit dem amtierenden BWH Champion Caleb Yuma und dem vielversprechenden Tag Team aus Connor Rogue und Sean Ashfield, den Ring Assassins.

Die Geschäftsführerin erlaubte Madeleine, O'Wellhubly in ihr Büro zu lassen. Also klopft es an ihrer Tür und eine der größten Hassfiguren in der Geschichte des Phönix läuft böse grinsend durch den Türrahmen und hält Jona Vark die Hand zum Schütteln entgegen. Miss Vark zeigt Manieren und erwidert den Händedruck und eröffnet sofort dem Gegenüber eine Sitzmöglichkeit... und den Dialog.

Jona Vark: "Mister O'Wellhubly. Sie hier? Dabei ist doch keiner ihrer Schützlinge für den Brawlin' Rumble gemeldet."

Noah O'Wellhubly: "Tatsächlich haben sie selten so richtig und gleichzeitig doch so falsch gelegen, Miss Vark."

Kommen wir also gleich zur Sache. Gar kein Problem. Besser als stundenlang herumzulamentieren und am Ende gar nichts zu sagen.

Jona Vark: "Wie meinen Sie das?"

Der Maskenbildner aus Galway in Irland lächelt ununterbrochen weiter. So, als würde man kurz davor sein, ein diabolisches Geheimnis zu verraten. Doch einen Reim kann sich Jona Vark aus diesem Grinsen nicht machen.

Noah O'Wellhubly: "Nun, wie sie richtig bemerkt haben, hat keiner meiner Schützlinge für den Brawlin' Rumble gemeldet. Kein Comeback des Champions, des King of Social Media, des Berlin Wrestling Villains Caleb Yuma. Kein Wunder, so gering wie die Wertschätzung seiner Leistungen in der PCWA beim letzten Rumble waren. Und auch die Ring Assassins, Connor Rogue und Sean Ashfield, die Prototypen eines erfolgreichen Tag Teams, werden sich nicht dazu herablassen, Wiley Cuts und Robert Breads für die Geschehnisse bei Dynamite #10 zu bestrafen. Richtig, keiner meiner Schützlinge wird beim Brawlin' Rumble dabei sein. Beim Rumble Match. Aber sie haben einen anderen meiner Schützlinge heute schon über die Bildschirme flimmern sehen und ich denke es ist an der Zeit, dass sie sich persönlich kennenlernen."

Elroy Schmidtke, Melina, John Smith, Tito van Nelle, Warren Black, Díego Alejandro Sanchéz, Gabriel Lucifer, James Godd, Mad Dog. Die Liste der Schützlinge, mit denen Noah O'Wellhubly in seiner Karriere bereits zu tun hatte, liest sich wie das Who-Is-Who der PCWA-Geschichte. Neugierig beugt sich Jona Vark nach vorne und scheint wissen zu wollen, von welchem Namen O'Wellhubly spricht.

Jona Vark: "Sie haben... noch eine Person unter Vertrag genommen?"

Der vor zehn Jahren als Manager des Chamäleons Desmond Mallory in der PCWA debütierte O'Wellhubly lacht auf.

Noah O'Wellhubly: "Nun... um einen Vertrag zu unterschreiben und einen Kugelschreiber zu halten, fehlen meinem... Klienten die feinmotorischen Fähigkeiten. Er hatte schon Mühe dieses schwere Mikrofon im Ring zu tragen."

Gerade, wo es bei Jona Vark im Kopf klickt, wo die Registerkasse rattert, schleicht sich durch die offene Tür eine Gestalt, die in eine schwarze Kutte gekleidet ist und sich diabolisch über die fauligen Zähne leckt. Ein modriger Geruch erfüllt den Raum in wenigen Minuten, als würde eine lebende Leiche im Raum stehen, die über Jahre in einem Keller eingesperrt war und nun befreit wurde. Jona Vark greift sich an die Nase, während O'Wellhubly der Geruch kein Stück zu stören scheint.

Noah O'Wellhubly: "Darf ich vorstellen... Clawrik Uriel Amon."

Ja, diese Gestalt kennt Jona Vark bereits. Sie stand zu Beginn der Show im Ring. Gab sich zu erkennen. Sprach von ihrer Geschichte. Drohte der PCWA mit dem Tod. Wie so viele Personen vor ihr. Und Jona drehte ihr nach einem Monolog einfach den Strom ab. Lies sie verstummen. Das hatte die fahle Gestalt nicht vergessen. Und deswegen zischt die Stimme unheilvoll zwischen den Zähnen hervor.

Clawrik Uriel Amon: "Und so lernen wir uns endlich kennen, Vark. Glauben sie an Zufälle oder an Schicksale, Vark?"

Eine merkwürdige Stimmung liegt in der Luft und sie raubt Jona Vark den Atem. Sie antwortet nicht. Sie starrt einfach nur in diese leeren Augen der Gestalt, die sich mit den spitzen Fingernägeln im Gesicht kratzt und ein paar Hautschuppen abzieht.

Clawrik Uriel Amon: "Wenn man sich vor Augen führt, dass der Tag, an dem sie hier das erste Mal als Geschäftsführerin der PCWA auftauchten... und der Tag, an dem ich aus meinem Koma erwachte... exakt der gleiche Tag ist... wie kann man da an Zufälle glauben, Vark? Vielleicht wurde es geplant? Vielleicht wurde es geplant, dass wir uns nun fast genau ein Jahr später endlich kennenlernen?"

Jona Vark: "Was wollen sie?"

Clawrik Uriel Amon: "So unhöflich. Vor ein paar Jahren hätte ich Ihnen das nicht gestattet, doch da es mich schmerzt, mich selbst zu kratzen, bin ich nicht in der Lage... Sie... zu kratzen. Zu beißen. Zu verstümmeln."

Die Stimme sagt es mit solch einer Intensität, dass Jede der anwesenden Personen weiß, dass das kein Spaß war. Nicht einfach so daher gesagt wurde.

Jona Vark: "Wollen sie am Brawlin' Rumble teilnehmen? Ist das ihr Ziel?"

Langgezogen, als würde eine rostige Säge durch ein festes Stück Holz gezogen werden. Das Lachen der fahlen Gestalt erfüllt den Raum und lässt sogar Noah O'Wellhubly zusammenzucken.

Clawrik Uriel Amon: "Öffnen sie ihre Augen und schauen sie mich an. In welcher Welt soll ich in diesem Ring überstehen? Ich zerfalle zu Staub, bevor ich den ersten Schlag kassiert habe. Nein, Vark. Ich habe in diesem Ring nichts zu suchen."

Und es ist der irische Manager, der das Gespräch fortsetzt.

Noah O'Wellhubly: "Mein Klient will gar nichts von Ihnen, denn er hat bereits alles, was er benötigt. Durch mich. Sehen sie, durch den Vertrag, den sie mir vorgelegt haben, nach welchem ich mir meine eigenen Klienten suchen darf, solange ich kein Mitspracherecht habe, was kreative, was finanzielle, was operative Dinge betrifft, kann ich im Bezug der Berlin Wrestling Heroes und der PCWA tun, was ich für richtig halte. Und ich habe jetzt wieder einen Klienten in der PCWA."

Jona Vark: "Weil das beim letzten Mal ja auch so gut geklappt hat. Haben sie das in ihrer Kristallkugel gesehen? In der Zukunft?"

Zynische Anspielung von Jona Vark auf einen Mann, der aus der Zukunft kam. Oder sowas in der Art. Scheinbar hat die Geschäftsführerin der PCWA ihren Mut wiedergefunden, doch schon im nächsten Moment schreckt sie auf, als die Gestalt mit ungeahnter Wucht auf ihren Schreibtisch hämmert. Sie verharrt für einen Moment in dieser Position und blickt Jona Vark mit unglaublicher Mordslust ins Gesicht. Ein verstörender Anblick.

Clawrik Uriel Amon: "Das hat wehgetan... ich liebe Schmerzen. Sie zeigen mir, dass ich lebe. Möchten sie auch feststellen, dass sie leben, Vark?"

Noah O'Wellhubly: "Ich glaube, dass sie das weiß. Der kalte Schauer, der ihren Rücken herunterjagt. Die Gänsehaut. Der Angstschweiß. Sie lebt..."

Clawrik Uriel Amon: "Gut... dann zum... Business. Kein Vertrag mit der PCWA, kein Gehalt. Nichts. Ich will das alles nicht. Ich will... sagen wir... geduldet werden."

Jona Vark: "Bitte was?"

Noah O'Wellhubly: "Um es anders zu sagen: Mister Amon hat mit MIR einen mündlichen Vertrag geschlossen. Und wie mein Vertrag es mit der PCWA erlaubt, dürfen meine Klienten auch für die PCWA antreten. Auftreten. Also darf Mister Clawrik Uriel Amon auch für die PCWA auftreten, vielleicht sollten sie ihm deswegen nicht unbedingt den Saft abdrehen, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hat."

Sie kennt den Vertrag, den sie mit dem Iren geschlossen hat und er hat Recht. Sie wusste um seine Fähigkeiten als Manager, als Sprachrohr zu agieren. Deswegen hat sie sich für unglaubliches geringes Gehalt dazu entschlossen, seiner Forderung nachzugeben. Was sollte schon passieren? Im besten Fall hätte er wirklich Talente gefunden, gefördert und die PCWA hätte diese dann fest unter Vertrag nehmen können. Im schlimmsten Fall... gut, der scheint jetzt hier zu sein. Sich vor ihr manifestiert zu haben.

Noah O'Wellhubly: "Aber wo sie den Brawlin' Rumble erwähnt haben... in der Tat hätten wir da gerne einen Startplatz. Aber nicht für Mister Amon?"

Jona Vark: "Sondern?"

Clawrik Uriel Amon: "Für eine Person, die ich als lebendig bezeichnen würde. Für ein Wesen, welches Norden zu Süden macht, Tag zu Nacht, Wahr zu Unwahr."

Jona Vark: "Wovon reden sie?"

Clawrik Uriel Amon: "Möchten sie es herausfinden?"

Sie zögert. Hadert mit ihrer Antwort. Neugier. Angst. Neugier. Angst.

Jona Vark: "Ja, möchte ich."

Clawrik Uriel Amon: "Dann haben wir einen Deal."

Jona Vark: "Und was habe ich davon?"

Noah O'Wellhubly: "Wir sind noch nicht fertig. Ich erinnere mich, dass ich nicht unweit von diesem Raum ein Büro besaß. Ich habe mir bereits die Freiheit genommen, mir dieses Büro wiederzunehmen. Schlösser ausgetauscht... ein wenig eingerichtet. Sie werden ja nichts dagegen haben?"

Jona Vark: "Ich frage noch einmal: Was habe ich davon?"

Clawrik Uriel Amon: "Werbung. Publicity. Ich verspreche Ihnen, dass die PCWA morgen in aller Munde sein wird. In aller Munde."

Jona Vark: "Wenn sie eine Bombe oder sowas hier verstecken..."

Clawrik Uriel Amon: "Ich mag ihre Gedankengänge, Vark. Aber nein. Ich bin das Gift. Ich bin kein Sprengkörper. Oder vielmehr... ein Parasit? Wissen Sie, eigentlich gefällt es mir hier sehr gut. Es hat sich toll entwickelt. Eigentlich wäre es viel zu schade, das alles zu zerstören."

Jona Vark: "Wozu dann das alles? Was haben sie vor?"

Die Gestalt leckt sich noch einmal über die Zähne, wandert durch den Raum und scheint tatsächlich nach einer Antwort zu suchen.

Clawrik Uriel Amon: "In ihrem Leben ist es noch nie vorgekommen, dass sie Jemanden aus ihrer Vergangenheit wiedergetroffen haben und diese Person nicht wusste, wer sie sind, nicht wahr? Jeder kannte sie. Jeder liebte sie. Sie wurden noch nie vergessen, Vark. Nicht wahr? Nicht wahr? Das wird mir nicht mehr passieren, Vark. Denn heute Nacht stelle ich die Welt auf den Kopf. Vielleicht nicht die Welt von Azrael Rage. Nicht von Alistair Brunswick. Aber die Welt wird sich morgen an zwei Geschehnisse aus dem Brawlin' Rumble erinnern. Die eine Szene wird der Sieger des Brawlin' Rumbles sein. Wie er siegreich die Hände in die Luft reißt. Sich darauf freut, eine Chance auf ihren World Title mit dem merkwürdigen, unaussprechlichen Namen zu erhaschen. Und die andere Szene wird meine Szene sein. Wie ich Wahr zu Unwahr machen lasse. Wie ich eine Wahrheit zu einer Lüge mache. Wie ich eine Realität zu einem Traum mache."

Jona Vark versteht kein Wort. Aber die fahle Gestalt, der ehemalige Komapatient ist sich sicher, dass sie verstehen wird, auch wenn es vor ihrer Zeit war. Sie kennt die Geschichte. Sie kennt den Lauf der Zeit. Aber heute Nacht wird er sich ändern.

Jona Vark: "Einverstanden, allerdings darf der Liga nichts geschehen. Den Fans. Den Wrestlern."

Noah O'Wellhubly: "Diese Doppelmoral. Als könnten wir Letzteres versprechen, während nachher ein brutales Match zwischen einer Zahl und einem Metzger stattfindet. Fantastisch, Miss Vark. Genau, wie ich es erwartet habe."

Die Geschäftsführerin erklärt nicht, dass sie etwas ganz Anderes gemeint hat. Stattdessen hat sie noch eine letzte Frage, bevor sich Noah O'Wellhubly mit der Gestalt aus ihrem Büro verabschiedet - ohne sich zu verabschieden.

Jona Vark: "Mister O'Wellhubly... sie haben kein Geld. Sie wollen kaum Geld von mir. Kerry & Gaelic ist Geschichte... wer finanziert das Ganze?"

Als Antwort erhält Jona Vark allerdings nur ein Grinsen. O'Wellhubly grinst das Lächeln der tausend Wahrheiten. Er weiß es. Er liebt es. Und doch bleibt er Jona Vark diese Antwort schuldig. Nicht jetzt. Nicht hier.

 

Vincent Craven: "Was wird hier gespielt? Noah O'Wellhubly nimmt Clawrik Uriel Amon unter Vertrag. Der darf in der PCWA auftreten, bekommt allerdings kein Gehalt. Ein... seltsamer Deal."

Mike Garland: "Da steckt mehr dahinter. Sehr viel mehr."

Vincent Craven: "Amon kündigt mysteriös einen Moment an, der sehr geheimnisvoll klingt. Er will die Realität zu einem Traum machen? Was auch immer wir uns darunter vorzustellen haben."

Mike Garland: "Das werden wir heute sicherlich noch sehen."