Scene

Id
1757  
Name
Tick, tock  
Summary
 
Position
110  
Scenetype
Off Camera  
Created At
2014-07-24 22:06:07  
Edited At
2014-07-28 14:56:40  
Show
Brawlin Rumble X  


Tick, tock. Tick. Tock. Unermüdlich vergehen die Sekunden, sprinten in ihrem eigenen Rhythmus dem Moment entgegen, der einmal mehr einen neuen Stern am Wrestlinghimmel erleuchten lässt. Oder einem alten neuen Glanz verleiht. Der Brawlin' Rumble. In seiner zehnten Auflage. Welch großen Namen nahmen schon teil, welch strahlende Sieger konnte er schon sein nennen. Und auch am heutigen Abend haben sich wieder illustre Gäste eingefunden, um sich mit den Besten der Besten zu messen.

Und er ist einer von ihnen. Chris Fusion. Vor vielen Jahren hätte das noch für einen Aufschrei gesorgt, hätte den Marks und sicherlich auch einigen Damen ein feuchtes Höschen beschert. Doch heutzutage? Heutzutage schert man sich nicht mehr um Gottes liebste Dartscheibe. Heutzutage wird die Teilnahme mit einem Nicken als Zeichen der Kenntnis abgetan. Oder mit einem großen Fragezeichen im Gesicht gleich wieder vergessen.

Er ist ein Relikt vergessener Tage. Dessen ist er sich bewusst. Schwer zu übersehen ist das ja allerdings auch nicht. Vorbei sind die Zeiten in denen Hallen gefüllt wurden, weil sein Name auf der großen Anzeigetafel stand. Vorbei sind die Zeiten, als sein Körper auf Poster und Flyer gedruckt wurde. Jetzt steht er dort als Teilnehmer. Kleingedruckt. Times New Roman. Schriftgröße 4. Wenn überhaupt.

Langsam schnürt er sich ein letztes Mal am heutigen Abend die schwarzen Boots zu. Nur zur Sicherheit. Ist lange her, dass er sie anziehen musste. Letzten Endes ist all das auch nur seine eigene Schuld, kann sich bei niemandem beschweren. Er selbst hat die Entscheidung getroffen, als ihn eine erneute Verletzung zur Pause zwang. Nur er war es, der seinen Vertrag auslaufen lies und selbst das großzügige Angebot von Azrael Rage vor drei Jahren ausschlug.

Azrael Rage. Beim Gedanken an seinen ehemals besten Freund, seinem engsten Feind, bleibt die Gedankenwelt des Chris Fusions im Gegensatz zur penetranten Uhr an der Wand für eine Sekunde stehen. Er hat ihn nicht aufgesucht. Nicht am heutigen Abend. Ihre Geschichte ist erzählt, ihre Schlachten sind ausgekämpft. Der Staub hat sich gelegt und einen großen Mann mit Gangrichtung Spitze hinterlassen. Einen mehrfachen Champion. Ach und Chris Fusion natürlich.

Es gab einfach keinen Grund, Worte mit dem Teufel zu wechseln und sicherlich keinen Grund für ein persönliches Treffen. Er ist bestimmt nur noch eine vage Erinnerung im Leben des Azrael Rage. Schließlich befasst sich dieser abermals mit Alistair Brunswick und dem Gold. Und Gabriel Lucifer.

Lucifer. Einer von den wenigen Namen, die noch ein Begriff für Fusion sind. Der hingegen wird sich sicherlich auch nicht mehr an ihn erinnern. Wieso sollte er auch? Ist Fusion doch schließlich nicht mehr als nur einer von neunzehn Namen, die Lucifer in seiner beeindruckenden Rumblebilanz eliminieren konnte. Für Lucifer also lediglich eine Randnotiz, für Fusion damals einer der vielen Steine, die ihn in die Depression stolpern ließen. Und als wäre das Schicksal nichts weiter als eine manipulative Hure hat sie den Mann, der damals alles besaß und den Mann, dem damals alles genommen wurde, auf den gleichen Pfad geführt. Beide kehrten dem Wrestling den Rücken und sie beide kehrten zurück, weil ein Leben als Normalsterblicher nicht möglich war.

Auch Fusion hatte das versucht, ja, war sogar eine kurze Zeit sicher, dass er es endlich geschafft hätte. Chris Fusion 2.0. Ein neuer Mensch. Ein eventuell sogar besserer Mensch. Er ging dem Wrestling aus dem Weg, ging sogar dem Kämpfen aus dem Weg. Der eine oder andere rausgeschmissene Gast in der Kneipe, in der er arbeitete, zählt da nicht. Er war kein Gladiator mehr, war kein nach Blut lüsternder Athlet. Nein, ein ganz normaler Mensch. Chris Fusion aus der Pendale Road. Schön, Sie kennenzulernen.

Doch es wurde zu langweilig. Der Tod schien mehr Aufregung zu bieten als das Leben. Nicht dass das bei ihm etwas besonderes war, doch selbst dieser Gedanke verblasste in Erkenntnis daran, dass der erst in dreißig oder vierzig Jahren kommen würde. Und nicht in einer Schlacht ausgekämpft, sondern im Bett mit einem weißen Laken als Wegbegleiter. Das konnte nicht sein Ende sein. Das würde nicht sein Ende sein. Straßenkämpfe, Duelle im fahlen Licht einer flackernden Laterne, sie erfüllten ihren Zweck für den Moment, aber neues Leben spürte er dadurch nicht mehr. Bis die Einladung kam. Die Einladung zum Brawlin' Rumble.

Chris Fusion lächelt leise vor sich hin, während er seine Wristbands, die noch immer den Namen seiner verstorbenen Freundin tragen, sorgfältig anlegt. Irgendein armer Verirrter ging wohl die Akten mit alten Teilnehmern durch und stolperte dabei über seinen Namen. Und verschaffte ihm damit ohne es zu wissen, einen neuen Grund zu leben.

In seinem Kopf geht er die weitere Teilnehmerliste durch. Diego Ortega, Mad Dog, Wild Thing, Zereo Killer. Sie alles waren Namen, die ihm durchaus bekannt sind und auch heute noch zu den Favoriten zählen. Alles großartige Athleten, keine Frage. Das Team Happy Hour, Jacob Kwabena. Er kannte sie vor dem heutigen Abend nicht und wahrscheinlich keiner hat sie auf den Zettel für einen Sieg. Aber manchmal sind es ja genau diese Leute, die am Ende des Abends alle zum Staunen bringen werden. Doch egal ob Favorit oder Außenseiter. Ob Profi oder Rookie. Sie alle werden nur Nebenrollen in seiner kleinen Rumble Geschichte sein. Denn keiner, auch nicht Lucifer, hat die Motivation, die Chris Fusion antreibt.

Tick, tock. Tick. Tock. In wenigen Momenten würde der Tanz auf Messers Spitze losgehen. Und keiner wird ihn auf dem Zettel haben. Nicht mehr. Er muss sich wieder neu beweisen. Ein Leben auf der Überholspur endet mit dem Anstehen an einer neuen Warteschlange. Verdammter Kreisverkehr.

Aber das ist nun egal. All das interessiert nicht mehr. Er hat sowieso schon gewonnen.

Er hat sein Leben zurück. Dieses Mal will er es auch behalten.

Und er ist bereit dafür zu kämpfen.

 



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