Scene

Id
1469  
Name
Mein Handy, die Asiatin und ich. Oder: weshalb man sich kein Handy kaufen sollte.  
Summary
 
Position
3  
Scenetype
Off Camera  
Created At
2014-04-10 17:34:18  
Edited At
2014-04-18 17:15:29  
Show
Vendetta 101  


Behände hüpft das grüne Männchen von Plateau zu Plateau, immer brav den flinken Fingern folgend, die es führen. Knapp 20 Zentimeter über dem hüpfenden, in einem zirka 5*10 Zentimeter großen Display gefangenen Grünling, eine Zunge, eingequetscht zwischen Zähnen und Lippen, die sich vor Konzentration und Eifer nur so verkrampfen. An Zunge, Zähnen, Lippen und Fingern anhängend, der restliche Körper von Raffael Schneider, dem Manager von Marcos Martinez, einem der neuesten PCWA-Verpflichtungen. Marcos, der in der PCWA unter dem Pseudonym Rolan auftritt, und er, sie haben heute ihren ersten Auftritt in einer Show. Der PCWA Vendetta. Doch das interessiert Raffa, wie er stets genannt wird, aktuell gar nicht. Viel interessanter ist doch dieses grüne Männchen. Naja, eigentlich das gesamte Smartphone, in welchem das Männchen gerade sein x-tes Abenteuer erlebt. Klar hat er früher, vor seiner Zeit auf der Straße, auch solche Dinger gehabt - und er hat sie geliebt, diese Wunderwerke der Technik, mehr noch als die Luxusschlitten, die er verscherbelt und natürlich auch besessen hat – aber wenn man erst einmal eine ganze Zeit ohne diese Dinger auskommen muss, weiß man, was man hatte. Und so war ebendieses Smartphone eines der ersten Dinge, die sich Raffa von seinem Gehaltsvorschuss gekauft hatte.

Grinsend kommentiert der Mann mit einem „Yes“ das Überwinden einer schwierigen Passage des Spiels. Das ihm harsch entgegen geworfene „Ausweis!“ der am Gebäudeeingang postierten Security beantwortet er mit kryptischen Verrenkungen, nur um den an seiner Jacke baumelnden PCWA-Mitarbeiterausweis halbwegs zu offenbaren. Klar, er hätte das Spiel pausieren können, oder er hätte auch die Linke benutzen können, um den Ausweis vorzuzeigen, aber a) trägt er in der linken Hand, schulternd, seinen neuen Anzug mitsamt Kleidersack, und b) ist das Spiel viel zu fesselnd, um es für einen minderbemittelten Muskelberg zu unterbrechen. Ganz zu schweigen davon, dass der Kerl aufgrund dieses barschen Tonfalls seine Aufmerksamkeit gar nicht verdient hat. Früher, ja früher hätte er diesen Kerl einfach zusammentreten lassen, von anderen minderbemittelten Idioten, bezahlt mit einer Probefahrt in einem seiner Maserati, Ferrari, Porsche und Co. Ja, früher. Heute ist er mittellos und auf Gehaltsvorschüsse angewiesen. Aber das kommt alles wieder, wenn er nur seine Hausaufgaben macht.

Der Einstieg in die PCWA war zwar etwas holprig, aber er ist geschafft. Seine Idee, das PCWA-Fanfest zu nutzen, um einerseits Marcos anzufüttern und andererseits die Aufmerksamkeit der PCWA-Führung zu erlangen, hatte wunderbar funktioniert. Einzig diese Schlampe von Vark wollte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Von wegen, er, Raffael Schneider, ein ehemaliger Luxusautomobil-Händler und absolut verlässlicher und sympathischer Typ, wäre nicht zu gebrauchen! Dieses dreckiges Miststück! Aber glücklicherweise ist er der einzige, der Marcos´ ureigene Gesten und Handzeichen versteht, dank der gemeinsamen Zeit auf der Straße, sodass er trotz der Einwände dieser Schlampe unabdingbar ist. Zumindest solange Marcos Teil der PCWA bleibt.

Der Gedanke an Jona Vark´s missmutiges Gesicht, als Marcos seine Forderung stellte, in der PCWA nur dann loszulegen, wenn Raffael mit von der Partie wäre, entlockt ihm ein kleines Grinsen. Ja, dieses Miststück schien diesen Brocken echt übelst schlucken zu müssen. Etwas, das ihm von seinem früheren Lebensabschnitt auch noch gut in Erinnerung ist. Nur dass die Weiber das damals meistens in seinem Büro machen mussten. Das Grinsen wird breiter. Erinnerungen an sein altes, schönes Leben und die Aussicht, dass dieses wiederkehren würde, haben ihn stets durch schwere Momente gebracht.

Abrupt bleibt er stehen, stellt sich ihm doch tatsächlich eine Mauer in den Weg. Raffa schaut überrascht von seinem Spiel auf und schaut nach rechts und links. War er wirklich so tief in das Spiel versunken, dass er nicht merkte, wie sich der Weg gabelte und er fast gegen diese Wand gelaufen wäre? Wenn er nur wüsste, wo Marcos´ Kabine ist. Dieser Bau ist verworrener als seine Schambehaarung, verdammte Asche! Na, egal, einfach rechts entlang und der Nase nach.

Und wieder geht der Blick auf das Display und nicht nach vorn.

Heute also, das erste Match. Gegen gleich zwei andere Wrestler. Wer die sind, ist völlig egal. Zumindest ihm. Marcos wird sich schon vorbereitet haben. Hat ja auch nochmal eine Extra-Schicht eingelegt, um ein paar neue Bewegungen zu lernen, heute Vormittag in dieser komischen Hero-Schule. Weswegen er auch alleine auf Shopping-Tour gewesen war. Aber das ist auch ganz gut so. In Geldausgaben hat er sich sowieso nie gerne reinreden lassen. Und wenn der stumme Marcos, oder Rolan, wie er sich nun nennt, pausenlos neben ihm rumgefuchtelt hätte.. nee, das wäre kein schönes Geldverprassen gewesen. So ist das doch schon eine gute Arbeitsteilung. Der Raffa kümmert sich ums Geld, in jeglicher Hinsicht, und Rolan geht schuften. Jawoll! Raffa und Rolan. Wobei der Name Rolan schon bescheuert klingt. Was zum Teufel Marcos sich dabei nur gedacht hat, diesen Namen anzulegen?! Von wegen, der Name erschien ihm einfach nur richtig. Der weiß ja selbst nicht einmal, was Rolan eigentlich bedeutet! Ja, der Name hat wahrscheinlich gar keine Bedeutung! Wenn es nach Raffael Schneider gegangen wäre, dann würde Marcos heute unter wohlklingenden Namen wie Behemoth, Blue Dragon, Massive Explosion oder Whirlwind auftreten. Aber nicht Rolan. Na, zumindest wird er einfach ausgesprochen, nicht so kryptisch wie die Namen so manch anderer Verrückter, die hier sicherlich unterwegs sein werden. Einfach Rolan, so wie er geschrieben wird. Wobei das aber auch einfach nur langweilig klingt. Behemoth, ja das wäre besser gewesen. Oder Tigershark! Ja, Tigershark wäre geil gewesen. Das ihm das aber auch jetzt erst einfallen muss!

Fluchend kommentiert Raffael eine missglückte Aktion seines Spiels. Das kommt davon, wenn man mit den Gedanken abschweift. Kurz hebt er den Kopf, orientiert sich. Aber irgendwie sieht hier alles gleich aus. Na, mal einen Gang zulegen, sonst kommt er noch zu spät. Ein durchdringendes Piepen seines Handys lenkt die Aufmerksamkeit wieder nach unten, zu seinem kleinen, grünen Freund, während er im Eiltempo vor sich hin hastet.

Na, wenigstens konnte er die Einlauf-Musik aussuchen. Wie nennen das die Durchgeknallten hier? Theme? Was für eine Rotze. Einlauf-Musik klingt viel besser. Und da fiel ihm die Wahl nicht schwer. O Fortuna von Orff ist hier das Mittel schlechthin. Dieses Kunstwerk hatte er sich früher immer im Büro vorgespielt, stets nach einem erfolgreichen Verkauf. Und unter dieser Hymne, ja dieser Hymne, unter diesem Zeichen, würde er..

Kurz ruckt etwas am Fuß, scheint ihn festzuhalten. Dann folgt ein lang gestrecktes „Uaaaahhh“ und es geht nicht mehr vorwärts, sondern abwärts. Denn Raffael hat nun zwar keine neuerliche Mauer übersehen, dafür aber ein paar Mülleimer und einen Besen, der zwar an die Wand gelehnt wurde, jedoch etwas nach unten rutschte und so, auf einem der Mülleimer liegend, quer in den Gang hinein lugte. Mit überlautem Scheppern, Krachen und noch lauterem Fluchen landet Raffael Schneider inmitten der Mülleimer, begleitet von seinem teuren Anzug, der, Gott sei Dank, in seinem Kleidersack steckt, während das neue, geliebte Handy sich im hohen Bogen aus dem Staub macht. Geistesgegenwärtig reißt Raffa den Kleidersack zum Schutze vor nässendem oder gar flüssigem Müll sofort nach oben, während er in echter Multitasking-Manier zeitgleich versucht, nach seinem Handy Ausschau zu halten und sich nebenbei noch aus dem Müllberg zu schälen. Mit Erfolg, denn er erspäht das wertvolle Stück Technik keine drei Meter von sich entfernt. Dennoch hält er, sich bereits auf die rechte Hand und das rechte Bein stützend und den Anzug noch immer mit dem linken Arm nach oben stemmend, mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen in der Bewegung inne. Denn sein neuer Liebling befindet sich nicht etwa auf dem Boden, nein, es ruht in der Hand eines anderen Menschen. Einer Asiatin! Einer Asiatin, die SEIN Handy, SEIN SCHMUCKSTÜCK, sehr interessiert mustert! Augenblicklich bringt sich Raffa zur Ruhe, erhebt sich vollends, klopft sich mit der freien rechten Hand den Müll von den Klamotten und setzt dann ein Lächeln auf. Denn die Affinität der Asiaten zur Technik ist ihm wohlbekannt. Ebenso die daraus resultierende, sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Frau – braune Rehaugen, brave Ponyfrisur und Zöpfe hin oder her - mit seinem Smartphone durchbrennen will. Denn Asiaten sind so! Hat er gehört! Manipulationsfähigkeit ist hier gefragt. Und davon besitzt Raffa eine ganze Menge, immerhin war er ja mal Autoverkäufer. Nein, nicht nur Verkäufer, Händler! Also, bis zu den Ohren grinsen, Haare nach hinten legen und wie der kommende Verlobte auf diese Frau zugehen.

Raffa: „Óla Chica! Duuuu haben meeeiiin Handy!“

Gestenreich unterstreicht Raffael, was er der (vermuteten) Japanerin zu vermitteln versucht. Das Mädchen schaut ihn aus traurigen rehbraunen Augen an und mustert ihn dabei. Ihr Blick verharrt dabei in seinem Schritt. Verdreht sie dabei wirklich die Augen?

Raffael zieht die Brauen hoch und schaut an sich herab. Ein „verdammte Asche“ kommt brummelnd über seine Lippen, dann wischt er sich den übersehenen Rest Müll von der Hose. Der nasse Fleck in seinem Schritt, der blöderweise nach einer ordentlichen Portion Urin aussieht, bleibt jedoch bestehen. Raffael deutet nun erneut auf das Handy, dann auf sich und auf den Müllberg.

Raffa: „Das MEIN Handy. Ich laufen, dann stolper bruch peng autsch. Wo Handy? Du Handy! Daaaanke! Jetzt wiedergeben Handy!“

Aber das Mädchen reagiert gar nicht. Und noch immer richten sich ihre Augen auf den nassen Fleck, auf die Peinlichkeit. Raffael zieht leise die Luft durch die Zähne, schultert seinen Anzug. Das aufgesetzte Lächeln ist urplötzlich verschwunden. Da diese Frau offensichtlich kein Wort versteht, sind verbale Künste eher fehl am Platze. Aber wie nur, geht man mit jemandem um, den man nicht beschwatzen kann? Den Sturzhergang nochmal wiederholen, nur zur Veranschaulichung? Nee, das wäre doch arg zu blöd. Verärgerung kommt auf. Dass man es vielleicht auch mal in der Englischen Sprache probieren könnte, kommt ihm nicht in den Sinn...

Raffa: „Ja, ich weiß. Durch deine Schlitze konntest du meinen Sturz sowieso nicht sehen. Aber das ist MEIN Handy. MEINS! Kauf dir ein eigenes, du Pippi Langstrumpf. Los, komm schon, gib her.“

Raffael macht einen Schritt nach vorn, streckt den rechten Arm aus und macht mit der Hand eine auffordernde Geste. Das ihm unbekannte Mädchen, bei dem es sich in Wirklichkeit um Eri Osada, also eine Kollegin Raffaels handelt, rührt jedoch keinen Finger, schaut den ihrerseits Unbekannten ernsthaft an, ganz so als hätte sie verstanden, was Raffael da gerade von sich gegeben hatte. Für Schneider ist die Ernsthaftigkeit in Eris Gesicht jedoch Beweis genug für den kommenden Handynapping-Versuch. Und so erhöht er den Druck, bringt seine Verärgerung über Gesichtszüge und Körperhaltung deutlich zum Ausdruck und macht einen weiteren Schritt nach vorn.

Raffa: „Entweder du zu klein geratenes Miststück gibst mir jetzt mein Handy, oder ich rasier dir deinen verdammten Schädel und stecke dich solange in einen Darkroom, bis du vergessen hast, wie man läuft. Das schwöre ich bei Maserati und Co! Alles klar?!“

Eri hat nicht alle seiner Worte verstanden, dazu hat dieser seltsame Mann viel zu schnell gesprochen. Aber der Tonfall ist durchaus bei ihr angekommen. Es gab einmal Zeiten, da hätte sie  in einer Situation wie dieser nur gekichert, ihm demütig das Telefon zurückgegeben und sich möglichst unauffällig zurück gezogen. Niedlich sein, so lautete die Devise.

Aber diese Zeiten sind nun vorbei.
Der Umgang mit dem Mann, von dem Sie seit neuestem so fasziniert war, hat bereits auf sie abgefärbt.

Eri streckt ihre Hand mit dem Handy dem Fremden entgegen. Als dieser aber gerade danach greifen will, da öffnet sie auf einmal ihre Finger und lässt es zu Boden fallen. Mit einem Klacken schlägt es auf und zerspringt augenblicklich in seine Einzelteile.

Manchmal macht es einfach Spaß, böse zu sein.

Das erste Mal hören wir so etwas wie ein Kichern von der kleinen Japanerin, aber es klingt irgendwie... schadenfroh. Als sie sich umdreht, tritt sie noch einmal mit einem ihrer schwarzen Lackschuhe auf das abgesprungene Display und zermalmt es mit einem Knirschen zu kleinen Glassplittern.

Ohne ein Wort stolziert sie von dannen. Zurück bleibt ein Mann, der abwechselnd nach unten, zur zerbrochenen Glückseligkeit, und dann wieder hinter Eri her blickt, und dabei pausenlos den Mund auf und wieder zu macht. Als Eri schließlich verschwunden ist, vergehen noch immer ein paar Sekunden, die Raffa benötigt, um zu realisieren, was hier gerade geschehen ist. Dann beugt er sich nach unten, kratzt, lautstark der Göre die Pest an den Hals wünschend, zusammen, was von seinem Spielzeug übrig geblieben ist und macht sich wenig später, dank nun fehlender Ablenkung etwas zielgerichteter, auf den Weg zu seinem Partner – auch wenn er noch immer keinen blassen Schimmer hat, wo der eigentlich steckt.



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